Für die eine Verdachtskündigung vorbereitende Anhörung des Arbeitnehmers ist es ausreichend, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, welchen Sachverhalt der Arbeitgeber für aufklärungsbedürftig hält, dass er die Verantwortung des Arbeitnehmers dafür in Betracht zieht und dass dem Arbeitnehmer Gelegenheit gegeben werden soll, zu den Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen (BAG, Urteil vom 25. April 2018 – 2 AZR 611/17).
Tatverdacht Geldwäsche
Die Klägerin war bei einer Sparkasse als Kassiererin beschäftigt. Im Rahmen einer Organisationsanweisung wurden die Beschäftigten der Sparkasse angehalten, von der Bundesbank angelieferte Geldbehälter im Vier-Augen-Prinzip zu öffnen. Die Klägerin bestellte bei der Deutschen Bundesbank EUR 115.000,00. Nach Anlieferung durch zwei Mitarbeiter einer Wachschutzgesellschaft quittierte die Klägerin den Empfang der Lieferung und die Unversehrtheit der Plombe des Geldbehälters. Die Klägerin öffnete den Geldbehälter im Kassenbereich anschließend alleine. Etwa 20 Minuten nach der Anlieferung rief sie einen Kollegen herbei und teilte ihm mit, sie habe in dem Geldbehälter lediglich Babynahrung und Waschmittel gefunden. Am darauffolgenden Tag öffnete die Kriminalpolizei das Bankschließfach der Klägerin, in welchem sich mehrere Kuverts mit vier- bis fünfstelligen Geldbeträgen befanden. Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass die Klägerin bei der Öffnung des Geldbehälters entgegen der Organisationsanweisung nicht das Vier-Augen-Prinzip eingehalten habe und bat die Klägerin unter Fristsetzung, den Sachverhalt aus ihrer Sicht umfassend schriftlich zu schildern. In der Folgezeit tätigte die Klägerin 82 Bareinzahlungen in fünfstelliger Höhe auf eigene Konten sowie auf Konten ihrer Angehörigen. Nach einem Gutachten des Landeskriminalamtes und einer internen Revision hörte die Beklagte die Klägerin ca. 11 Monate nach dem Vorfall an und sprach danach die außerordentlich fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung gegenüber der Klägerin aus. Der genaue Verlauf sowie der Inhalt der Anhörung der Klägerin blieben im Rahmen des sich hieran anschließenden Kündigungsschutzprozesses streitig.
BAG: Kein ausdrücklicher Hinweis auf das Bestehen eines Verdachts im Rahmen der Anhörung erforderlich
Die eine Verdachtskündigung vorbereitende Anhörung des Arbeitnehmers hat im Zuge der gebotenen Aufklärung des Sachverhaltes zu erfolgen. Der Arbeitnehmer muss erkennen können, zur Aufklärung welchen Sachverhalts ihm Gelegenheit gegeben werden soll. Er muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Die Anhörung verlangt nicht notwendig, dass der Arbeitgeber hinsichtlich des für aufklärungsbedürftig gehaltenen Sachverhalts bereits einen (dringenden) Verdacht gegen den Arbeitnehmer hegt und dies im Rahmen der Anhörung ausdrücklich erklärt. Erforderlich ist allein, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, welchen Sachverhalt der Arbeitgeber für aufklärungsbedürftig hält, dass er jedenfalls auch die Verantwortung des Arbeitnehmers dafür in Betracht zieht und dass ihm, dem Arbeitnehmer, Gelegenheit gegeben werden soll, zu den aufklärungsbedürftigen Geschehnissen und Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen. Dies kann sich hinreichend auch aus den Umständen der Anhörung ergeben.
Der Rechtsstreit wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.