Außerordentliche Kündigung wegen Weiterleitung sensibler Daten an den privaten E-Mail-Account


Sachverhalt

Das Oberlandesgericht (OLG) München hatte über eine fristlose Kündigung eines Vorstandsanstellungsvertrages im Zusammenhang mit der Weiterleitung betriebsinterner E-Mails durch den Vorstand an seine private E-Mail-Adresse zu entscheiden.

Über einen Zeitraum von knapp zwei Monaten leitete das Vorstandsmitglied betriebsinterne und teils vertrauliche geschäftliche E-Mails über Gehälter, Provisionsabrechnungen und Unternehmensvorgänge an seinen privaten E-Mail-Account weiter. Die Weiterleitung der E-Mails erfolgte dergestalt, dass das Vorstandsmitglied im Rahmen der E-Mail-Korrespondenz mit Dritten (Mitarbeiter und Organe des Unternehmens bzw. der Schwester- und Muttergesellschaft sowie Mitarbeiter eines Steuerbüros), jeweils seine private E-Mail-Adresse in den E-Mail-Verteiler einkopierte, d.h. in „Cc“ setzte. Dies fiel einem neu bestellten Vorstandsmitglied anlässlich der Durchsicht diverser Unterlagen auf.

Im Rahmen einer Anhörung behauptete das Vorstandsmitglied, dass der einzige Zweck der Weiterleitung der betrieblichen E-Mails an die private E-Mail-Adresse das Nachverfolgen wichtiger Vorgänge gewesen sei; ohnehin habe er die meisten E-Mails bereits gelöscht. Das Vorstandsmitglied versicherte zudem, keinerlei Informationen an Dritte weitergegeben zu haben und alle Informationen vor dem Zugriff Dritter geschützt zu haben.

Der Aufsichtsrat des Unternehmens beschloss, das Vorstandsmitglied mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund aus dem Vorstand abzuberufen sowie den Vorstandsanstellungsvertrag außerordentlich fristlos zu kündigen. Das Vorstandsmitglied erhob daraufhin eine gegen die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gerichteten Klage. Das erstinstanzliche Gericht (Landgericht München) urteilte, dass das zwischen den Parteien bestehende Vorstandsanstellungsverhältnis durch die außerordentliche fristlose Kündigung nicht aufgelöst worden sei.

Rechtliche Kernaussagen des OLG München

Das OLG München schloss sich der rechtlichen Wertung des Landgerichts München nicht an, sondern befand die außerordentlich fristlose Kündigung für wirksam und begründete dies damit, dass die Weiterleitung der betrieblichen E-Mails an den privaten E-Mail-Account einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) darstelle. Der Vorstand habe durch die Weiterleitung der E-Mails gegen seine sich aus § 91 Abs. 1 S. 1 Aktiengesetz (AktG) ergebende Sorgfaltspflicht, die in Gestalt der Legalitätspflicht vom Vorstand eigene Regeltreue fordere, verstoßen.

Sehr praxisrelevant ist die Feststellung des OLG München, wonach die Weiterleitung der betrieblichen E-Mails an den privaten E-Mail-Account und die dortige Speicherung als Verarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) zu qualifizieren sei, die nicht durch eine datenschutzrechtliche Einwilligung der betroffenen Personen gedeckt gewesen sei. Die Weiterleitung sei auch nicht zur Wahrung der berechtigten Interessen des Vorstandsmitglieds erforderlich gewesen. Mangels Einschlägigkeit eines datenschutzrechtlichen Erlaubnistatbestand lag damit eine rechtswidrige Datenverarbeitung vor.

Das OLG München betonte jedoch, dass nicht jeder Regelverstoß und damit auch nicht jeder Verstoß gegen Vorschriften der DS-GVO schon einen „an sich“ wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstelle. Dies sei jedoch zumindest dann der Fall, wenn – wie hier – die unter Missachtung der Regelungen der DS-GVO erfolgte Weiterleitung der E-Mails an den privaten E-Mail-Account sensible Daten des Unternehmens und anderer Dritter betreffe. Da die weitergeleiteten E-Mails unter anderem Informationen zu einer geldwäscherechtlichen Bankanfrage, zu Provisionsansprüchen von Mitarbeitern, zu Gehaltsabrechnungen eines früheren Vorstandsvorsitzenden, zu Planungen des Unternehmens zur Verprovisionierung der Mitarbeiter und zu Zuständigkeitsstreitigkeiten im Vorstand beinhalteten, bejahte das OLG München im Ergebnis den „an sich“ wichtigen Grund für die fristlose Kündigung.

Die Weiterleitung der E-Mails sei auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass das gekündigte Vorstandsmitglied nur solche E-Mails weitergeleitet habe, „die aufgrund der besorgniserregenden Veränderungen im Betrieb unentbehrlich waren, um später beweisen zu können, dass er (das Vorstandsmitglied) selbst keine zur Haftung führenden Fehler begangen habe“. Denn für eine solche prophylaktische Selbsthilfe bestand – so das OLG München – keine Veranlassung.

Im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigte das Gericht zu Gunsten des Vorstandsmitglieds, dass die von ihm weitergeleiteten Daten weder zur Kenntnis an unbeteiligte Dritte gelangten noch das Unternehmen wegen der Verstöße gegen die DS-GVO sanktioniert wurde. Darüber hinaus war nach Ansicht des OLG München zu beachten, dass das Vorstandsmitglied durch das Einkopieren seiner privaten E-Mail-Adresse in den E-Mail-Verteiler nicht heimlich handelte, sondern für die anderen am E-Mail-Wechsel Beteiligten erkennbar war, dass er die E-Mails an seinen privaten E-Mail-Account weiterleitete. Die Tatsache, dass es sich nicht um ein singuläres Fehlverhalten, sondern um ein über knapp zwei Monate andauerndes, systematisches Vorgehen des Vorstandsmitglieds handelte, wertete das Gericht jedoch zu Lasten des Vorstandsmitglieds. Ebenso zum Nachteil des Vorstandsmitglieds berücksichtigte das OLG München den Umstand, dass es – nach dem eigenen Vortrag des Vorstandsmitglieds – erklärtes Ziel der von ihm begangenen DS-GVO-Verstöße war, Material für die Verbesserung seiner Argumentationsbasis in von ihm offensichtlich erwarteten Haftungsprozessen des Unternehmens gegen ihn zu sammeln, die Rechtsbrüche also ausdrücklich gegen das Unternehmen gerichtet waren.

Bei einer Zusammenschau aller dieser Umstände und unter Abwägung der Interessen des Vorstandsmitglieds an der Fortsetzung des Vorstandsdienstverhältnisses bis zum Auslaufen des Vorstandsdienstvertrags einerseits und dem Interesse des Unternehmens an der schnellstmöglichen Beendigung des Dienstverhältnisses andererseits kam das OLG München zu dem Ergebnis, dass es dem Unternehmen nicht zumutbar war, nach Feststellung der Rechtsverstöße noch weitere elf Monate mit dem Vorstandsmitglied zusammenzuarbeiten.