BAG bestätigt digitale Beteiligung von Betriebsräten


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Die Digitalisierung im Arbeitsverhältnis bleibt in der Wahrnehmung vieler Arbeitgeber hinter den Wünschen und Möglichkeiten der Praxis zurück. Exemplarisch hierfür steht die bislang geltende strenge Schriftform im Nachweisgesetz, die für jede Einstellung und die Änderung von Arbeitsbedingungen eine original-schriftliche Mitteilung des Arbeitgebers erfordert. Mittlerweile hat sich die Bundesregierung zu einer Abschwächung dieses Formerfordernisses bekannt. Doch das Gesetzgebungsverfahren läuft eher schleppend.

Auch in der Betriebsratsarbeit folgt die Bundesregierung nicht ihrem eigenen Anspruch, wonach sie „das Potenzial der Digitalisierung für die Entfaltungsmöglichkeit der Menschen, für Wohlstand, Freiheit, soziale Teilhabe und Nachhaltigkeit nutzen“ will. Es gibt gewisse positive Tendenzen, wie eine grundsätzliche Öffnung der Betriebsratssitzungen für hybride Formate. Die Präsenzsitzung soll allerdings die Regel bleiben (§ 30 Abs. 1 S. 5, Abs. 2 BetrVG). In der Einigungsstelle ist eine virtuelle Sitzung seit dem Auslaufen der Sonderregelung aus Pandemie-Zeiten wieder gänzlich ausgeschlossen (vgl. § 76 Abs. 3 S. 2 BetrVG).

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: Beteiligung über HR-Software ausreichend

Umso erfreulicher ist die jüngst ergangene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Beteiligung des Betriebsrats bei Einstellungen. In dem entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber den Betriebsrat über eine geplante Einstellung informiert und die erforderliche Zustimmung gemäß § 99 BetrVG beantragt. Der Betriebsrat konnte mittels eines Leserechts in der Personalsoftware die Unterlagen des Bewerbers wie auch der nicht berücksichtigten Kandidatinnen und Kandidaten einsehen.

Diesen Weg der Unterrichtung hielt der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 13. Dezember 2023 für ausreichend. Eine Übermittlung der Unterlagen – zumal in Papierform, wie es der Betriebsrat verlangt hatte – sei nicht geboten. Dies gelte jedenfalls, wenn der Arbeitgeber die erforderlichen Unterlagen in digitaler Form erhalten habe. Diese müsse er nicht erst für den Betriebsrat ausdrucken.

Zwar hält der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts fest, eine insoweit klarstellende sprachliche Anpassung des § 99 BetrVG habe der Gesetzgeber im Rahmen des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes nicht vorgenommen. Daraus leitet der Senat aber nicht den Schluss ab, eine derartige digitale Beteiligung sei vom Gesetzgeber nicht gewünscht. Umgekehrt nimmt er an, der Gesetzgeber habe in § 99 BetrVG schon ausreichendes Digitalisierungspotenzial gesehen. Diese Unterstellung mag etwas weit gehen und eine gesetzgeberische Klarstellung wäre wünschenswert gewesen. Im Ergebnis leistet der 1. Senat aber die gebotene Schützenhilfe für den Gesetzgeber und lässt eine praktikable Handhabung des Beteiligungsverfahrens für die mittlerweile weit verbreiteten Personalsoftwares zu.

Schließlich sieht der 1. Senat keine datenschutzrechtlichen Bedenken. Die Einsicht in die personenbezogenen Daten der Bewerberinnen und Bewerber sei für die Ausübung des Beteiligungsrechts nach § 99 BetrVG erforderlich im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c und Abs. 3 DSGVO iVm. § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG.

Folgen für die Praxis

Die offiziell bestätigte Handhabung bei Einstellungsvorgängen, die über eine Personalsoftware abgewickelt werden, ist sehr zu begrüßen. Ausdrücklich bezieht sich die Entscheidung nur auf das Verfahren gemäß § 99 BetrVG bei Einstellungen. Sinngemäß dürften die Erwägungen aber für andere Beteiligungsrechte gehen, die gesetzlich (nur) eine „Vorlage der erforderlichen Unterlagen“ vorsehen. Dies schließt z.B. die Anhörung bei Kündigungen nach § 102 BetrVG mit ein.

Fraglich ist dagegen, ob diese Art der Beteiligung ausreicht, wenn das Gesetz eine schriftliche Mitteilung voraussetzt – wie z.B. für das Konsultationsverfahren bei Massenentlassungen nach § 17 Abs. 2 KSchG. Insoweit wird zwar eine Unterrichtung in Textform (z.B. per E-Mail) als ausreichend angesehen. Ob die Rechtsprechung einen Verweis auf Informationen in einem digitalen Informationsportal ausreichen lässt, erscheint eher bedenklich.

Berücksichtigen sollten die Arbeitgeber bei dieser Form der Beteiligung zudem das Datenschutzrecht. Erforderlich ist die Einsicht des Betriebsrats nur für solche Unterlagen, die er für die konkrete Ausübung des Beteiligungsrechts benötigt. Ein Einsichtsrecht, das dem Betriebsrat z.B. Zugriff auf einen Talentpool gibt, wäre in diesem Kontext wohl zu weitgehend.

Schließlich muss der Arbeitgeber die tatsächliche Einsehbarkeit der Unterlagen gewährleisten und belegen können. In dem Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht hatte sich der Betriebsrat z.B. darauf berufen, aufgrund technischer Schwierigkeiten sei eine Einsichtnahme innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 2 S. 1 BetrVG nicht durchgängig gewährleistet gewesen. Diesen Einwand wies der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts lediglich als verspätet (weil erst im Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht vorgebracht) zurück. Um einer fristgerecht geäußerten Rüge begegnen zu können, sollte der Arbeitgeber die Funktionalität des Systems für den Betriebsrat laufend verifizieren.