Zur Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs hat der Betriebsrat die konkrete (Arbeitsschutz-)Vorgabe aufzuzeigen, deren Durchführung er überwachen will und die sein Auskunftsverlangen trägt. Ebenso hat der Betriebsrat aufzuzeigen, warum er die erstrebte Auskunft für die Wahrnehmung dieser Aufgabe benötigt. Ein darüberhinausgehender Zugriff auf personenbezogenen Daten wäre rechtswidrig. (BAG, Beschl. vom 9. April 2019 –
1 ABR 51/17).
Forderungen des Betriebsrats: Information über alle Schwangerschaften im Betrieb
Beteiligte des Rechtsstreits waren die Arbeitgeberin – ein Luft- und Raumfahrtunternehmen – als Antragsgegnerin und der bei ihr gebildete Betriebsrat (BR) als Antragsteller. In der Vergangenheit informierte die Arbeitgeberin den BR darüber, welche Arbeitnehmerinnen eine Schwangerschaft angezeigt hatten. Seit Mitte 2015 räumte die Arbeitgeberin den schwangeren Arbeitnehmerinnen ein zeitlich begrenztes Widerspruchsrecht hinsichtlich der Weitergabe dieser sensiblen Information an den Betriebsrat ein.
Der BR vertrat in dem Verfahren die Ansicht, die Arbeitgeberin habe ihn über jede von einer Arbeitnehmerin angezeigte Schwangerschaft unaufgefordert zu informieren; er habe als Gremium über die Einhaltung der zugunsten der Arbeitnehmerinnen geltenden Gesetze zu wachen, darunter das Mutterschutzgesetz (MuSchG). Der BR vertrat weiter die Auffassung, seine Informations- und Kontrollrechte seien gegenüber dem Vertraulichkeitsinteresse einer widersprechenden Arbeitnehmerin vorrangig. Der BR beantragte daher, der Arbeitgeberin aufzugeben, ihn über alle ihr bekanntwerdenden Fälle der Schwangerschaft von Arbeitnehmerinnen unaufgefordert zu unterrichten, auch in den Fällen, in denen die betroffenen Arbeitnehmerinnen einer Unterrichtung des Betriebsrats widersprochen haben.
Die Arbeitgeberin entgegnete, der BR könne seine Aufgabe, die Durchführung des MuSchG zu überwachen, auch mit einer anonymisierten, sich auf die Angabe der Arbeits- und Funktionsbereichs der Schwangeren beschränkende Auskunft nachkommen. Jedenfalls stünde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Schwangeren und die Schutzwirkung des Art. 6 Grundgesetz (GG) dem Auskunftsanspruch des BR entgegen, sofern die Arbeitnehmerin der Unterrichtung des BR ausdrücklich widersprochen habe.
BAG: „Erforderlichkeit“ als Grenze des Informationsanspruchs – Darlegungslast trifft den BR
Nach dem BAG bildet das Kriterium der „Erforderlichkeit“ die datenschutzrechtliche Grenze für den Informationsanspruch des BR. Genauer begrenzt der allgemeine Informationsanspruch des BR gem. § 80 Abs. 2 BetrVG das Informationsverlangen auf die zur effektiven Ausübung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben erforderlichen Angaben. Das BAG statuiert mithin zwei Anspruchsvoraussetzungen im Rahmen seiner Entscheidungsgründe: das Vorliegen einer Aufgabe des BR sowie die Erforderlichkeit der begehrten Informationen zur Wahrnehmung dieser betriebsverfassungsrechtlichen Aufgabe. Die Darlegungslast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trifft den BR. Mit einem allgemeinen Verweis des BR auf jegliche gesetzlichen (Schutz-)Pflichten der Arbeitgeberin gegenüber Arbeitnehmern genügt der BR dieser Darlegungslast nicht.
Der generelle Verweis des BR auf den beschäftigungsspezifischen Schutznormenkomplex für schwangere Frauen ermöglichte im vorliegenden Verfahren gerade keine Prüfung, welches zugunsten der Arbeitnehmerinnen konkret geltende Ge- oder Verbot der BR hinsichtlich Durchführung oder Einhaltung zu überwachen beabsichtigte. Auch legte der BR nicht dar, weshalb eine Unterrichtung über jede einzelne der Arbeitgeberin angezeigte Schwangerschaft unter Namensnennung der jeweiligen Arbeitnehmerin zur Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben erforderlich sei.
Widerspruch der Arbeitnehmerinnen gegen Weitergabe der Informationen an den BR unbeachtlich
Ungeachtet der vorgenannten Erwägungen hielt das BAG grundsätzlich fest, dass der Auskunftspflicht der Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat nicht der Widerspruch der betroffenen Arbeitnehmerin, mit dem diese sich gegen eine Weitergabe der Informationen an den BR aussprach, entgegensteht. Denn ein solcher Widerspruch stellt keinen Widerruf einer Einwilligung dar; auf eine Einwilligung der Betroffenen kommt es beim Umgang mit Daten für die Erfüllung der dem BR von Gesetzes wegen zugewiesenen Aufgaben ohnehin nicht an.
Auch stellt der Widerspruch keine Ausübung eines Widerspruchsrechts nach Art. 21 Abs. 1 DS-GVO dar. Im vorliegenden Fall existierte schon deshalb kein solches Widerspruchsrecht, da die Datenübermittlung an den Betriebsrat nicht auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 lit. e oder f DS-GVO, sondern von Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO in Verbindung mit § 26 Abs. 3 BDSG erfolgte.
Beteiligungsrechte des BR vs. datenschutzrechtliche Vorgaben nach BDSG und DS-GVO
Das BAG hat Datenschutz und Beteiligungsrechte vereint und dazu folgende Maßstäbe aufgezeigt:
Die Mitteilung der Schwangerschaft unter Namensnennung einer Arbeitnehmerin an den Betriebsrat durch die Arbeitgeberin stellt eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten (Art. 4 Nr. 1 und Nr. 2 DS-GVO) dar. Der Verordnungsgeber hat die Definition der Verarbeitung bewusst weit gefasst. Denn sowohl eine interne Nutzung, als auch eine externe Weitergabe stellen den datenschutzrechtlich gleichen Vorgang einer Verarbeitung dar. Mithin kommt es auf den derzeit intensiv diskutierten Streit, ob der BR ein eigener Verantwortlicher im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO oder nur datenschutzrechtlicher Teil des Arbeitgebers ist, insoweit nicht an.
Vorliegend begehrte der BR Auskunft über das Bestehen einer Schwangerschaft bei Arbeitnehmerinnen, d.h. Auskunft über Gesundheitsdaten der betroffenen Arbeitnehmerinnen (Art. 4 Nr. 15 DS-GVO), welche zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 DS-GVO bzw. § 26 Abs. 3 BDSG) rechnen.
Das Auskunftsverlangen des BR muss sich an dem Erlaubnistatbestand des § 26 Abs. 3 BDSG messen lassen. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber von der Öffnungsklausel des Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO Gebrauch gemacht. Danach ist eine Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses zulässig, wenn sie zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erforderlich ist. Auch darf kein Grund zu der Annahme bestehen, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt.
Steht dem BR nach § 80 Abs. 2 BetrVG einen Anspruch darauf zu, dass ihm die Arbeitgeberin nach einer Anzeige gem. § 15 MuSchG den Namen der schwangeren Arbeitnehmerin mitteilt, ist die damit verbundene Datenverarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Pflicht aus dem Arbeitsrecht erforderlich (§ 26 Abs. 3 BDSG).