Dass auch der Verdacht einer Pflichtverletzung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann, ist allgemein anerkannt. Die rechtlichen Anforderungen an die Wirksamkeit einer solchen Verdachtskündigung sind allerdings streng. Wie wichtig die Ausermittlung des Sachverhalts und die Berücksichtigung entlastender Momente sein kann, betont nun nochmals das LAG Mecklenburg-Vorpommern (Entscheidung v. 10. Juli 2018 – 2 TaBV 1/18).
Verdacht der Veröffentlichung vertraulicher Unterlagen
In dem von dem LAG zu entscheidenden Fall verdächtigte der Arbeitgeber eine bei ihm angestellte Ärztin, vertrauliche Patientenunterlagen in ihrem öffentlich zugänglichen Hausmüll entsorgt zu haben. Ob dies zutraf, wer Zugang zum Müll hatte und ob nicht auch andere Mitarbeiter die Unterlagen im Hausmüll hätten ablegen können, hatte der Arbeitgeber allerdings nicht ermitteln bzw. darlegen können. Problematisch war auch, dass der Vorfall durch eine Kollegin der verdächtigten Arbeitnehmerin erst 1,5 Jahre nach der vermeintlichen Entsorgung an den Arbeitgeber gemeldet wurde.
Strenge Anforderungen bei Verdachtskündigung
Eine außerordentliche fristlose Verdachtskündigung unterliegt strengen rechtlichen Voraussetzungen. Der Verdacht muss dabei vor allem dringend sein, d.h. bei einer kritischen Prüfung muss eine auf Beweisanzeichen (Indizien) gestützte große Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Pflichtverletzung (Tat) gerade des verdächtigen Arbeitnehmers bestehen.
Ohne Sachverhaltsaufklärung keine Erfolgsaussichten
Nur wenn der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare tut, um den Sachverhalt aufzuklären, kann eine außerordentliche Kündigung Bestand haben. Dazu gehört nicht nur, den verdächtigen Arbeitnehmer ordnungsgemäß anzuhören (siehe auch unseren Blogbeitrag zur Anhörung bei Verdachtskündigungen). Darüber hinaus müssen auch entlastende Umstände ausreichend gewürdigt und bei der Aufklärung berücksichtigt werden.
Unzureichende Berücksichtigung entlastender Umstände fatal
Diese Pflicht hatte der Arbeitgeber in dem von dem LAG entschiedenen Fall jedoch nicht beachtet. Insbesondere konnte er u.a. nicht darlegen, ob auch andere Mitarbeiter die vertraulichen Patientenunterlagen im Hausmüll der verdächtigen Arbeitnehmerin hätten ablegen können.
Verzögerung bei Aufklärung gehen zulasten des Arbeitgebers
Nicht zuletzt aufgrund der verzögerten Meldung des Vorfalls erst nach 1,5 Jahren war es dem Arbeitgeber schlicht nicht mehr möglich, diesen und weitere möglicherweise entlastenden Momente aufzuklären. Dieses Risiko, so das LAG, gehe jedoch zulasten des Arbeitgebers, da er die Darlegungs- und Beweislast für die Verdachtsmomente trage. Im Ergebnis entschied es also zugunsten der Arbeitnehmerin.