Ein „übergelaufenes“ E-Mail-Postfach und mangelhafte Absprachen zwischen Mitarbeitern befreien einen öffentlichen Arbeitgeber nicht von seiner Pflicht, einen schwerbehinderten Stellenbewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen (BAG, Urteil vom 23. Januar 2020 - 8 AZR 484/18).
Keine Einladung zum Vorstellungsgespräch
Im Oberlandesgerichtsbezirk Köln schrieb die öffentliche Hand eine Stelle als Gerichtsvollzieher aus. Hierauf bewarb sich der Kläger mit dem deutlichen Hinweis auf den Grad der Schwerbehinderung und der Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Er wurde nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen, obwohl er „nicht offensichtlich ungeeignet“ war.
BAG: Entschädigung für den Kläger
Das BAG sprach dem Kläger eine Entschädigung zu. Das beklagte Land hätte den Kläger nach § 82 S. 2 SGB IX alte Fassung zu dem Vorstellungsgespräch einladen müssen. Die Nichteinladung begründe die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt wurde. Das Land hat diese Vermutung nicht widerlegt. Die Begründung war auch nicht sonderlich überzeugend: Die Bewerbung sei aufgrund eines „überlaufenden“ E-Mail-Postfachs und ungenauer Absprachen der Mitarbeiter nicht in den eigenen Geschäftsgang gelangt.
Pflicht zur Einladung auch bei internen Stellenausschreibungen?
Zumindest laut obergerichtlicher Rechtsprechung: Nein. Das LAG Baden-Württemberg entschied im vergangenen Jahr, dass ein Entschädigungsanspruch bei einem rein internen Stellenbesetzungsverfahren nicht in Betracht komme (Urteil vom 3. Juni 2019 – 1 Sa 12/18). Der Anspruch knüpfe nicht an die behinderungsbedingte Nichtberücksichtigung, sondern ausschließlich an die Benachteiligung im Bewerbungsverfahren an. Schwerbehinderte Bewerber müssen nach § 165 S. 3 SGB IX – welcher § 82 S. 2 SGB IX a.F. nachfolgt – nur zu denjenigen Bewerbungsverfahren für offene Arbeitsplätze eingeladen werden, die nach einer erfolglosen Prüfung der internen Stellenbesetzung an die Agentur für Arbeit zu melden sind.