Bürokratieentlastungsgesetz und vereinfachte Beanspruchung der Elternzeit – Ein Mehrwert oder eher ein Risiko?


Mit Wirkung zum 1. Januar 2025 ist das vierte Bürokratieentlastungsgesetz („BEG IV“) in Kraft getreten.

Das BEG IV markiert einen weiteren Schritt in den Bemühungen der Bundesregierung, bürokratische Prozesse zu vereinfachen und die Digitalisierung in der Wirtschaft voranzutreiben. Die Ampelkoalition, die vor knapp drei Jahren mit dem Ziel antrat, „Mehr Fortschritt wagen“ zu wollen, hat nun mit dem BEG IV eine Reihe von gesetzlichen Anpassungen vorgenommen, die insbesondere für Arbeitgeber von Bedeutung (wir berichteten) sind. Davon umfasst sind auch Änderungen im Gesetz zum Elterngeld und Elternzeit („BEEG“), die zwar grundsätzlich zu begrüßen sind, jedoch auch Risiken für Arbeitgeber mit sich bringen können.

Das BEG IV

Das BEG IV beinhaltet weitreichende Änderungen in mehreren relevanten Gesetzen, darunter das Nachweisgesetz (NachwG), das Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), das (BEEG), das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und die Gewerbeordnung (GewO). Diese Änderungen sollen die rechtlichen Rahmenbedingungen an die Anforderungen einer modernen Arbeitswelt anpassen und gleichzeitig den Verwaltungsaufwand für Unternehmen reduzieren.

Nach der Verabschiedung durch den Bundesrat am 18. Oktober 2024 sind die neuen Regelungen nunmehr am 1. Januar 2025 in Kraft getreten.

Änderungen im BEEG

Der Anspruch auf Teilzeit während der Elternzeit (§ 15 Abs. 7 Nr. 5 BEEG) sowie der Anspruch auf Elternzeit (§ 16 Abs. 1 BEEG) konnten bislang nur in Schriftform geltend gemacht werden.

Mitarbeiter mussten daher bislang ihr Verlangen auf Elternzeit handschriftlich bei ihrem Arbeitgeber stellen, um der Anforderung des § 16 Abs. 1 BEEG gerecht zu werden. Diese Hürde wurde den Mitarbeitern nunmehr genommen. Seit dem 1. Januar 2025 ist es Mitarbeitern möglich, ihr Verlangen auf Elternzeit in Textform zu stellen. Dies bedeutet, dass ein Elternzeitverlangen nun auch per E-Mail eingereicht werden kann. Mit der Einreichung per E-Mail erlangt der Mitarbeiter dann auch Sonderkündigungsschutz gemäß § 18 BEEG – und zwar sofort.

Die Einführung der Textform erleichtert zwar die Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter erheblich. Gleichzeitig bedeutet dies jedoch auch, dass der Mitarbeiter schneller unter den Schutz des Sonderkündigungsschutzes fällt.

Mögliches Risiko für den Arbeitgeber

Der Bürokratieabbau bringt ohne Frage Erleichterungen und ist längst überfällig. Gleichzeitig erhöhen Formerleichterungen aber auch die Missbrauchsgefahr von Schutzinstrumenten des Gesetzgebers, beispielsweise von (werdenden) Eltern.

Durch die vereinfachte Möglichkeit des Elternzeitverlangens kann ein Mitarbeiter noch kurz vor Zugang einer Kündigung, die weiterhin der Schriftform bedarf, per E-Mail oder Teams-Chat seine Elternzeit beanspruchen und sich somit Sonderkündigungsschutz verschaffen. Der Anspruch auf Elternzeit besteht grundsätzlich bis zum dritten Lebensjahr des Kindes und kann anteilig bis zum achten Lebensjahr des Kindes genommen werden. Es besteht daher das Risiko, dass ein kündigungsbedrohter Mitarbeiter, der Kinder unter acht Jahren und die vollen 36 Monate Elternzeit noch nicht in Anspruch genommen hat, die Elternzeit zur Vermeidung der Kündigung instrumentalisiert.

Der vom Gesetzgeber statuierte Sonderkündigungsschutz bei einem wirksamen Elternzeitverlangen sollte dem Prinzip „Sonderkündigungsschutz wegen Elternzeit“, und nicht „Elternzeit wegen Sonderkündigungsschutz“ folgen. Durch die Einreichung des Elternzeitverlangens in Textform, also z.B. via E-Mail oder Teams-Chat, kann sofort Sonderkündigungsschutz entstehen. Ein kurzfristiger Entschluss des Mitarbeiters aus falschen Beweggründen ein Elternzeitverlangen einzureichen, dürfte zukünftig häufiger in der Praxis eine Rolle spielen.