Die Überlastungsanzeige – ein Überblick


Im Juni 2024 fand die sogenannte „Überlastungsanzeige“ aufgrund einer Berichterstattung mehrerer Medien über ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht Detmold (Urteil vom 26. Juni 2024 - 2 Ca 731/23) in der breiteren Öffentlichkeit Beachtung. Das Arbeitsgericht hatte über die Klage einer Krankenschwester gegen ihren Arbeitgeber zu entscheiden. Diese hatte im Rahmen mehrerer Überlastungsanzeigen die Belastung am Arbeitsplatz angeprangert.

Die Überlastungsanzeige ist außerhalb von Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern bislang von wenig bis keiner Relevanz. Aufgrund der zunehmenden Vorgaben für Arbeitgeber zum Arbeits- und Gesundheitsschutz ihrer Arbeitnehmer sind Arbeitgeber (dennoch) gut beraten, das Mittel der Überlastungsanzeige und den Umgang mit einer solchen jedenfalls in den Grundzügen zu kennen.

Begriff der Überlastungsanzeige

Unter einer Überlastungsanzeige ist die Anzeige von Arbeitsüberlastung und damit einhergehend der Gefahr von Schadenseintritten durch den Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber zu verstehen.

Voraussetzungen – Arbeitsüberlastung und mögliche Schäden

Zur Abgabe einer Überlastungsanzeige ist ein Arbeitnehmer bei Vorliegen einer Arbeitsüberlastung berechtigt, wenn diese auf Umstände in der Sphäre des Arbeitgebers zurückzuführen ist und durch diese Schäden drohen.

Als Umstände in der Sphäre des Arbeitgebers kommen insbesondere – aber nicht ausschließlich – eine unzureichende Personalplanung, mangelhafte Arbeitsbedingungen sowie die Übertragung einer nicht zu bewältigenden Anzahl von Aufgaben in Betracht.

Der Begriff des durch die Arbeitsüberlastung drohenden Schadens ist weit zu verstehen. Hiervon können neben

  • Gesundheitsschäden für Arbeitnehmer (z. B. psychisch „Burn out“, Depressionen aber auch physische Verletzungen bspw. aufgrund hektischer Handlungen)
  • auch Schäden für Dritte (insb. Kunden) (z. B. Sachschäden aufgrund von Fehlern durch Arbeitnehmer, welche Folge der Überlastung waren)
  • sowie Beeinträchtigungen im Betriebsablauf sowie Schäden an Betriebsmitteln des Arbeitgebers

umfasst sein.

Keine objektive Gefahrenlage erforderlich

Für die Berechtigung zur Abgabe einer Überlastungsanzeige ist es für die Frage, ob ein Schaden droht, nicht ausschlaggebend, ob dies objektiv der Fall ist. Entscheidend ist vielmehr, ob der Arbeitnehmer auf Basis einer subjektiven Beurteilung der Umstände von einer Gefahrenlage ausgehen durfte.

Wider besseres Wissen darf eine Überlastungsanzeige nicht erfolgen. Erfolgt die Überlastungsanzeige zudem aus sachfremden Erwägungen heraus oder ohne eine jedenfalls im Ansatz verantwortungsvolle Prüfung geradezu leichtfertig, so stellt dies eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung des Arbeitnehmers dar. Auf diese kann vom Arbeitgeber entsprechend reagiert werden (in der Regel zunächst mit einer Abmahnung).

Pflicht des Arbeitgebers zur Prüfung und Ergreifung von Maßnahmen

Geht eine Überlastungsanzeige beim Arbeitgeber ein, ist diese unverzüglich und gewissenhaft zu prüfen. Hierzu sollte regelmäßig ein ergänzendes Gespräch mit dem anzeigenden Arbeitnehmer erfolgen. Zudem kann es sinnvoll, aber auch erforderlich sein, weitere Parteien, wie beispielsweise den Arbeitsschutzkoordinator oder Arbeitskollegen des Arbeitnehmers sowie einen etwaig vorhandenen Betriebsrat hinzuzuziehen.

Aufgrund seiner Fürsorgepflicht aus §§ 241 Abs. 2, 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie der aus § 3 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) folgenden Schutzpflicht hat der Arbeitgeber – sofern nach dessen Prüfung aus (sodann) objektiver Sicht tatsächlich Schäden eintreten könnten – die erforderlichen Abhilfemaßnahmen zu prüfen und zu treffen. Dies kann neben konkreten Maßnahmen wie den Anpassungen von Arbeitsabläufen in einem ersten Schritt auch zunächst die Durchführung einer (erneuten) Gefährdungsbeurteilung sein.

Rechtsfolge bei Missachtung von Überlastungsanzeigen

Unmittelbar sind keine Rechtsfolgen an die Missachtung einer Überlastungsanzeige durch den Arbeitgeber geknüpft. Kommt ein Arbeitgeber jedoch seinen Schutzpflichten nicht nach und tritt beim Arbeitnehmer ein Schaden ein, welcher bei Beachtung der Überlastungsanzeige hätte vermieden werden können, kann sich der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenüber schadensersatzpflichtig machen.

Zudem kann die Missachtung einer Überlastungsanzeige mittelbar zum Risiko eines Bußgelds führen. Je nach gerügtem Umstand kann dem Arbeitgeber die Missachtung im Rahmen einer Betriebsprüfung „auf die Füße fallen“. Wird beispielsweise im Rahmen der Überlastungsanzeige angezeigt, die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) würden nicht eingehalten, erhöht dies bei Feststellung entsprechender Verstöße durch die Prüfbehörde das Risiko eines Bußgeldes nach § 22 Abs. 2 ArbZG (von bis zu EUR 30.000). Der Arbeitgeber wird in diesem Fall kaum noch gegen eine positive Kenntnis des Verstoßes argumentieren können.

Es wird abzuwarten sein, ob die Berichterstattung zum Fall des Arbeitsgerichts Detmold zu einer breiteren Bekanntheit und einhergehend der Nutzung der Möglichkeit der Überlastungsanzeige führen wird. Sollte dies der Fall sein, sind Arbeitgeber gut beraten, sich mit diesen ernsthaft auseinanderzusetzen.