Kündigung in zeitlichem Zusammenhang mit Arbeitsunfähigkeit? Ohne Sorgfalt droht Entgeltfortzahlung!


Kündigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Tag nach dem Ende der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit, so greift ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Kündigung infolge der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Dies kann dazu führen, dass Arbeitgeber auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Entgeltfortzahlung zu leisten haben.

Grundsätzlich endet die Pflicht zur Entgeltfortzahlung für den Arbeitgeber mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Das gilt nach § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz) nur dann nicht, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis „aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit“ kündigt.

Beweislast bei Anlasskündigung

Beruft sich der Arbeitnehmer darauf, dass der Arbeitgeber eine Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen hat, trägt er hierfür grundsätzlich die Beweislast. Wichtiges Instrument zur Beweisführung ist der Anscheinsbeweis, also der Rückschluss aus Erfahrungssätzen von bewiesenen auf noch zu beweisende Tasachen. Nach der Rechtsprechung greift ein Anscheinsbeweis beispielsweise dann, wenn die Kündigung in unmittelbar zeitlichem Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.

Zeitlicher Zusammenhang

In einem kürzlich durch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) entschiedenen Fall (Entscheidung vom 1. März 2018 – 10 Sa 1507/17), kündigte der Arbeitgeber nur einen Tag nach der Beendigung der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. Das LAG entschied, dass dieser kurze Zeitraum den Anschein eines innerlichen Zusammenhangs zwischen Arbeitsunfähigkeit und Kündigungsausspruch begründe. Der Arbeitgeber müsse dem Arbeitnehmer nach Beendigung der zunächst bescheinigten Arbeitsunfähigkeit noch einen Zeitraum von drei weiteren Tagen einräumen, um ihm die Anzeige der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit zu ermöglichen. Versäumt der Arbeitgeber dies, kann er sich auch nicht darauf berufen, keine Kenntnis von der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit gehabt zu haben.

Entkräftung des Anscheinsbeweises

Greift der Anscheinsbeweis zugunsten des Arbeitnehmers, muss der Arbeitgeber den Anscheinsbeweis entkräften. Ein Nachweis des Gegenteils ist nicht erforderlich. Dennoch reicht etwa der bloße Hinweis auf einen Geschehensablauf, nach dem die Kündigung eine andere Ursache haben kann, nicht aus.

Bloßer Hinweis auf andere Ursache reicht nicht

Der Einwand des Arbeitgebers, die Kündigung sei aber infolge einer Schlechtleistung ausgesprochen worden, vermochte den Anscheinsbeweis nicht zu entkräften. Die behauptete Schlechtleistung des Arbeitnehmers lag zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bereits zwölf Tage zurück. In Anbetracht der geringfügigen Schlechtleistung (es ging um eine einmalige Fehlleistung) ging das LAG davon aus, dass der Arbeitgeber die Kündigung bereits früher ausgesprochen hätte, wäre allein die Schlechtleistung ursächlich gewesen. Der Arbeitnehmer befand sich in der Probezeit und hatte keinen Kündigungsschutz. Mit Blick auf die hierdurch erleichterten Kündigungsvoraussetzungen sei zu erwarten, dass ein Arbeitgeber das Fehlverhalten zunächst beanstande und abwarte, ob sich innerhalb der Probezeit entsprechende Fehler wiederholen.