Erleichterte Darlegungs- und Beweislast für Arbeitnehmer bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung


Mit seinem Urteil vom 25. Juli 2023 stellt das Bundesarbeitsgericht (BAG, 9 AZR 278/22) klar, welche Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers, aber auch des Entleihers, zu stellen sind, wenn sich der Arbeitnehmer auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher aufgrund einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung beruft. Rechtlicher Hintergrund der Entscheidung ist die teils schwierige Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung von der Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags.

Der zugrundeliegende Sachverhalt

Der Kläger war seit 2012 bei der E GmbH als Systemingenieur angestellt. Eingesetzt wurde er jedoch bei der Beklagten, einem Unternehmen der Automobilindustrie, um innerhalb eines Teams Steuergeräte für produzierte Fahrzeuge zu betreuen. Das Team bestand aus Mitarbeitern der Beklagten sowie anderen Arbeitnehmern von Fremdfirmen. Der Kläger macht geltend, dass zwischen ihm und dem beklagten Unternehmen ein Arbeitsverhältnis entstanden ist, da er im Rahmen einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung eingesetzt wurde. Die Beklagte hingegen ist der Meinung der Kläger sei im Rahmen eines Dienstvertrags mit der E GmbH als Erfüllungsgehilfe derselben tätig gewesen.

Grundsatz bei Arbeitnehmerüberlassung

Bei der Arbeitnehmerüberlassung verleiht der Arbeitgeber, einen bei ihm angestellten Arbeitnehmer an einen Dritten. Der Arbeitgeber wird zum Verleiher und der Dritte zum Entleiher. Dabei wird der Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingebunden und unterliegt dessen Weisungen. Während der Zeit der Überlassung besteht jedoch weiterhin nur ein Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit dem Verleiher. Zum Entleiher hat der Arbeitnehmer keinerlei vertragliche Beziehung.

„Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung“ – Begründung eines Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes

Ausnahmsweise kann infolge einer Arbeitnehmerüberlassung doch ein Arbeitsvertrag mit dem Entleiher zustande kommen (§ 10 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1a Halbs 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)). Dies ist der Fall, wenn Entleiher und Verleiher

  • in ihrem Überlassungsvertrag die Arbeitnehmerüberlassung nicht ausdrücklich als solche bezeichnet haben und
  • die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert wurde.

Abgrenzung zu Tätigkeit bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags

Die Beklagte bestritt hier jedoch das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung und damit eines möglichen Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Sie berief sich darauf, dass der Kläger im Rahmen eines Dienstvertrags als Erfüllungsgehilfe für die E GmbH tätig wurde.

 Von einer Arbeitnehmerüberlassung ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags des Unternehmens mit einem Dritten zu unterscheiden. Hier wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und werden als dessen Erfüllungsgehilfen tätig. Auch in diesem Fall kann der Werkbesteller dem Werkunternehmer, sowie dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werks geben. Diese Anweisungen sind sachbezogen und ergebnisorientiert und damit gegenständlich auf die zu erbringende Werkleistung begrenzt. Solche werk- oder dienstbezogenen Anweisungen werden vom AÜG nicht erfasst.

Das arbeitsrechtliche Weisungsrecht ist demgegenüber personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert.

Entscheidend für Einordnung als Arbeitnehmerüberlassung sind ausdrückliche Vereinbarung und praktische Durchführung

Zu unterscheiden sind zwei Konstellationen:

  • Ergibt sich aus der ausdrücklich getroffenen Vereinbarung, dass das Rechtsverhältnis als Arbeitnehmerüberlassung ausgestaltet ist, liegt Arbeitnehmerüberlassung vor, ohne dass es auf die (abweichende) praktische Handhabung der Vertragsbeziehung ankommt.
  • Nach § 12 Abs. 1 S. 2 AÜG kommt es auf die praktische Durchführung vorrangig nur an, wenn tatsächlich Arbeitnehmerüberlassung praktiziert wird, die vertragliche Vereinbarung jedoch gerade keine Arbeitnehmerüberlassung regelt.

Darlegungs- und Beweislast

Der Arbeitnehmer hat darzulegen und zu beweisen, dass die Voraussetzungen für das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher vorliegen.

Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen und beweisen:

  • dass er in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, also eine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt und
  • dass die Arbeitnehmerüberlassung nicht ausdrücklich als solche bezeichnet und die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert worden ist.

In beiden Fällen kann sich das Problem stellen, dass der Arbeitnehmer keinen Einblick in den Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher hat, da er außerhalb dieses Geschehensablaufs steht.

Deshalb hätte die Beklagte hier, nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast, den entsprechenden Vertrag offenlegen müssen, versäumte es jedoch, dieser Pflicht nachzukommen.