Fürsorgepflicht bei Mitarbeitereinsätzen in Krisengebieten


In einer globalisierten Welt sind immer mehr Unternehmen länderübergreifend tätig. Das hat zur Folge, dass sie auch immer öfter ihre Mitarbeiter für kurze oder längere Zeiten ins Ausland entsenden. So ein Auslandsaufenthalt ist bei vielen sehr beliebt – doch was, wenn es in ein sogenanntes Krisengebiet geht? Was müssen Arbeitgeber dabei beachten?

Was verstehen wir unter „Krisengebiet“? Damit sind politisch, sozial oder geografisch gefährdete Gebiete gemeint, in denen das allgemeine Lebensrisiko weit über das heimische hinausgeht. Beispielsweise könnten Mitarbeiter für Reparatur- und Serviceeinsätze in die Ukraine oder nach Israel geschickt werden, wo die politische Lage derzeitig ein erhöhtes Risiko darstellt.

Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Angestellten. Aber wie sollen sie damit umgehen, wenn es um Einsätze in Krisengebieten geht? Hier sind die wichtigsten Fragen, die sich Unternehmen stellen sollten:

  • Welche Vorbereitungen und Vorkehrungen sind für solche Einsätze erforderlich?
  • In welchem Umfang ist der Arbeitgeber zur Unterstützung und Information während eines solchen Einsatzes verpflichtet?
  • Was kann und muss ein Arbeitgeber tun, um seinen Mitarbeiter im Ernstfall aus der Gefahrensituation zu retten?

Schauen wir uns diese Fragen einmal im Detail an:

Die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers bei Entsendung des Mitarbeiters in ein Krisengebiet

Der Arbeitgeber hat diverse Fürsorgepflichten zu beachten. Worauf beruhen diese?

Gesetzliche Verankerung

Das Gesetz bietet kaum konkrete Anhaltspunkte für Fürsorgepflichten bei Entsendungen in Krisengebiete. § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet zur Rücksicht auf die „Rechte, Rechtsgüter und Interessen“ des anderen Teils, liefert jedoch keine klaren Handlungsanweisungen. Die Ausprägung der Fürsorgepflichten hängt daher vom Einzelfall ab.

Bestimmung des Grads der Fürsorgepflichten

Auf den zweiten Blick ist das aber nicht verwunderlich: Jeder Einsatz im Krisengebiet ist einzigartig und muss individuell beurteilt werden. Faustregel: „Umso gefährlicher der gewählte Einsatzort, desto höhere Anforderungen sind an die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers zu stellen.“ Ein Einsatz innerhalb der EU ist in der Regel weniger gefährlich als einer in Afghanistan, Libyen, der Ukraine oder Israel. In Kriegsgebieten wie den beiden letztgenannten Ländern kann regelmäßig sogar von gesteigerten Fürsorgepflichten ausgegangen werden.

Unterscheidung mehrerer Fürsorgepflichten

Über die Jahre hinweg haben sich verschiedene Kategorien von Fürsorgepflichten herauskristallisiert, die es leichter machen, herauszufinden, welche Fürsorgemaßnahmen zu ergreifen sind.
Dabei unterscheiden wir drei Pflichttypen, die vor, während und nach dem jeweiligen Einsatz zu beachten sind: Schutzpflichten, Informationspflichten und Mitwirkungspflichten. Hierzu im Einzelnen:

  • Schutzpflichten: Diese betreffen vor allem die Gesundheit des Mitarbeiters. Ist er physisch und psychisch in der Lage, die Auslandsreise in das jeweilige Krisengebiet anzutreten? Um das herauszufinden, ist ein Gesundheitscheck in Form eines Eignungstests nötig, dessen Kosten der Arbeitgeber trägt. Außerdem muss der Arbeitgeber für ausreichenden Versicherungsschutz sorgen.
  • Informationspflichten: Arbeitgeber müssen den Mitarbeiter ausreichend informieren, z. B. über landesspezifische Gefahren, soziale Gepflogenheiten, Einreisebestimmungen und VISA-Regelungen. Wir empfehlen, dem Mitarbeiter regelmäßig – insbesondere kurz vor und während des Einsatzes – die Informationen des Auswärtigen Amts zu seinem Aufenthaltsort zukommen zu lassen, also etwa die Reise- und Sicherheitswarnungen des Einsatzgebiets. Diese Informationen sollten so aktuell wie möglich sein und durch den Arbeitgeber in regelmäßigen Abständen überprüft und ggf. überarbeitet werden.

    In besonders gefährlichen Einsatzgebieten sind Prozesse, die den Mitarbeiter täglich über die aktuelle Lage informieren, hilfreich. Das funktioniert beispielsweise per E-Mail, Telefon oder SMS. Darüber hinaus ist es außerdem sinnvoll, den Mitarbeiter ausreichend über die Lage seiner Unterkunft, seines Einsatzortes, etwaige Schutzbereiche sowie über mögliche Fluchtrouten im Ernstfall zu informieren.

    Besondere Vorsicht ist bei der Entsendung von männlichen ukrainischen Mitarbeitern in die Ukraine geboten, da ihnen die Ausreise seit der Generalmobilmachung verboten ist. Es ist also nicht auszuschließen, dass ein Mitarbeiter, z. B. mit doppelter Staatsbürgerschaft, im schlimmsten Fall zum Kriegsdienst eingezogen wird. Hierüber sind die betroffenen Mitarbeiter entsprechend zu informieren.
  • Mitwirkungspflichten: Arbeitgeber sollten den Mitarbeiter so gut wie möglich unterstützen, z. B. durch eine Notfall-Hotline. Im Krisenfall muss der Arbeitgeber alles tun, um den Mitarbeiter aus der Gefahrensituation zu befreien.

Pflicht zur Erbringung des Einsatzes

Mitarbeiter sind regelmäßig nicht verpflichtet, an Einsätzen in Krisengebieten teilzunehmen. Bei einer amtlichen Reisewarnung können Mitarbeiter die Reise verweigern oder abbrechen.

Darüber hinaus sollten Arbeitgeber die Frage nach einem solchen Einsatz mehr aus ethischer, weniger aus rechtlicher Sicht betrachten: Wollen sie ihren Mitarbeitern einen Einsatz im jeweiligen Gebiet wirklich zumuten? Es ist immer wünschenswert, in solchen Situationen auf einvernehmliche Lösungen mit den Mitarbeitern hinzuwirken.

Vertragliche Zusatzvereinbarung: Zustimmungsvereinbarung und Widerrufsrecht

Vor Reiseantritt sollten Arbeitgeber und Mitarbeiter eine Zusatzvereinbarung treffen, die den Auslandseinsatz zeitlich und inhaltlich konkretisiert. Der Mitarbeiter muss erklären, dass er umfassend über sämtliche Risiken informiert wurde und physisch sowie psychisch in der Lage ist, den Einsatz durchzuführen. Ein vertragliches Widerrufsrecht dieser Vereinbarung macht zudem den jederzeitigen Abbruch der Reise möglich.

Fazit

Die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers bei Entsendung eines Mitarbeiters in ein Krisengebiet sind nach oben hin offen gestaltet. Je gefährlicher der Einsatzort, desto höher sind die Anforderungen an Schutz-, Informations- und Mitwirkungspflichten.

Dieser Blogbeitrag ist in leicht abgewandelter Form auch als Beitrag im Expertenforum Arbeitsrecht (#EFAR) erschienen: “Mitarbeitereinsätze in sog. Krisengebieten – worauf ist zu achten?