Geschäftsgeheimnisschutz – Catch-all-Klauseln im Arbeitsvertrag als unwirksame Geheimhaltungsmaßnahme


Das Bundesarbeitsgericht sagt Adieu zu sog. „catch-all-Klauseln“ und bestätigt daher die bisherige Rechtsprechung der Arbeitsgerichte. Wir zeigen auf, worauf Arbeitgeber achten sollten.

Weitergabe produktbezogener technischer Informationen

Was war passiert? Die Arbeitgeberin ist führende Herstellerin von Füllmaschinen für Lebensmittel sowie der dazu passenden Verpackungsmäntel. Der Arbeitnehmer war maßgeblich an der Weiterentwicklung dieser Produkte beteiligt und stand in engem Austausch mit Mitarbeitern aus dem Bereich Forschung und Entwicklung. Der Arbeitsvertrag sah folgende Klausel vor:

„(Der Arbeitnehmer) wird über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie alle sonstigen ihm im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Angelegenheiten und Vorgänge der Gesellschaft Stillschweigen bewahren. Er wird dafür Sorge tragen, dass Dritte nicht unbefugt Kenntnis erlangen. Die Verpflichtung zur Geheimhaltung besteht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus und umfasst auch die Inhalte dieses Vertrages.“

Noch während der Tätigkeit bei der Arbeitgeberin versandte der Arbeitnehmer mehrere E-Mails mit Anlagen mit relevanten Informationen über spezifische Leistungsdaten und Prozessparameter der zur Sleeves-Produktion benötigten Maschinen sowie technische Produktdaten an ein Konkurrenzunternehmen. Die Arbeitgeberin erfuhr hiervon nach Kündigung des Arbeitnehmers und beantragte daraufhin vor dem Arbeitsgericht, den Arbeitnehmer zu verpflichten, die Weitergabe der genannten betriebsinternen Informationen zu unterlassen. Nachdem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen (siehe hierzu diesen Blogbeitrag) und das Landesarbeitsgericht die hiergegen gerichtete Berufung der Arbeitgeberin zurückgewiesen hatte, lag der Fall nun beim Bundesarbeitsgericht.

Das BAG bestätigt die Vorinstanzen

Das Bundesarbeitsgericht wies die Revision der Klägerin zurück. Sie hat keinen gesetzlichen Unterlassungsanspruch aus § 6 GeschGehG, denn bei den in Rede stehenden Informationen handelt es sich nicht um Geschäftsgeheimnisse i.S.d. § 2 Nr. 1 GeschGehG. Ebenso wenig folgt ein solcher Unterlassungsanspruch aus der arbeitsvertraglichen Geheimhaltungsklausel selbst. Solche „catch-all-Klauseln“ sind vielmehr unwirksam.

Der Schutz durch das GeschGehG hängt von einem ausreichenden Schutz durch den Arbeitgeber ab

Das Ergreifen angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen ist nach § 2 Nr. 1 b) GeschGehG konstitutives Merkmal eines Geschäftsgeheimnisses. Das bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber das Geheimnis bestmöglich zu schützen hat. Wie solche Geheimhaltungsmaßnahmen auszusehen haben, hängt vielmehr von der Art des Geschäftsgeheimnisses im Einzelnen und von den konkreten Umständen der Nutzung ab. Hierzu gehören technische, organisatorische und auch rechtliche Maßnahmen.

In diesem Fall entschied das Bundesarbeitsgericht, dass die rechtlichen Maßnahmen nicht ausreichend waren: Mit Blick auf den behaupteten besonderen wirtschaftlichen Wert der technischen Daten wären gesteigerte Maßnahmen durch die Arbeitgeberin erforderlich gewesen. Die vertragliche Verschwiegenheitsklausel bezieht sich aber nicht auf konkrete Informationen. Zudem hatte die Arbeitgeberin das bei ihr errichtete (technische) Kontrollsystem nicht ausreichend substantiiert dargelegt.

„Catch-all-Klausel“ in AGB sind unwirksam

Die arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsverpflichtung ist zudem nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Dies folgt zwar nicht wie das Arbeitsgericht noch angenommen hat aus der Gefahr einer Umgehung des GeschGehG. Vielmehr ist es möglich, den Geheimnisschutz über das GeschGehG hinaus vertraglich zu erweitern. Allerdings benachteiligt die Klausel den Arbeitnehmer in unangemessener Art und Weise. Dadurch, dass sie in umfassender Weise alle internen Vorgänge betrifft (sog. Catch-all-Klausel) und auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinausgeht, kommt sie einem umfassenden nachträglichen Wettbewerbsverbot gleich. Faktisch untersagt sie es dem Arbeitnehmer bei einem neuen Arbeitgeber in adäquater Position sein Wissen zu nutzen. Damit wird das (auch grundgesetzlich in Form der Berufsfreiheit abgesicherte) Interesse des Arbeitnehmers an der Verwertung seines Wissens in keiner Weise berücksichtigt. Hätte die Arbeitnehmerin eine Verwertung von Wissen (zeitlich befristet) verhindern wollen, hätte sie ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach §§ 74 ff. HGB vereinbaren und eine Karenzentschädigung zahlen müssen.