Meinungsfreiheit und Arbeitsverhältnis – ein Dauerbrenner bei den Arbeitsgerichten. Zuletzt im Fokus: Die Äußerungen des Fußballprofis des Bundesligisten FSV Mainz 05 Anwar El Ghazi zum Nahostkonflikt auf seinen Social-Media-Kanälen – laut Arbeitsgericht Mainz kein Grund für eine (fristlose) Kündigung durch den Arbeitgeber (ArbG Mainz, Urteil vom 12. Juli 2024 –10 Ca 1411/23).
Trennung von privater und beruflicher Sphäre
Außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers kann eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nur dann rechtfertigen, wenn durch das Verhalten berechtigte Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt sind. Meinungsäußerungen im Privaten begründen grundsätzlich keinen Kündigungsgrund seitens des Arbeitgebers.
Etwas anderes kann aber dann der Fall sein, wenn ein Verhalten des Arbeitnehmers einen konkreten Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweist und somit negative Auswirkungen auf den Betrieb oder das Arbeitsverhältnis haben können. Ein solcher Bezug kann dann vorliegen, wenn das Social Media Profil den Arbeitgeber erkennen lässt und der Arbeitnehmer beleidigende, rassistische und ausländerfeindliche Äußerungen tätigt.
Die allgemeinen Grenzen der Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis
Die Meinungsfreiheit stößt stets an ihre Grenzen, wenn die Äußerungen die Schwelle zur Strafbarkeit überschreiten oder nur auf eine bloße Herabwürdigung abzielen. Daher sind insbesondere menschenverachtende, rassistische und volksverhetzende Äußerungen nicht geschützt. Im Arbeitsverhältnis kann die Meinungsfreiheit zudem durch die überwiegenden Interessen des Arbeitgebers beschränkt werden. Denn die Arbeitnehmer sind aufgrund des Arbeitsvertrages dazu verpflichtet, auf die berechtigten Interessen ihres Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen.
Aktuelle Entscheidungen der Arbeitsgerichte
Im Fall El Ghazi verneinte das Arbeitsgericht Mainz einen schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. Die Äußerung, keinen Abstand von der umstrittenen Parole „From the river to the sea“ zu nehmen, sei von der Meinungsfreiheit gedeckt. Für die Äußerung selbst mahnte der Verein den Spieler lediglich ab – ein Recht zur Kündigung war somit verbraucht. Jedenfalls wäre die Zwei-Wochen-Frist zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung abgelaufen. Der Verein hat nun angekündigt, in Berufung zu gehen. Auch in Köln ist zuletzt über das Verhalten einer Arbeitnehmerin im privaten Bereich geurteilt worden. Das Arbeitsgericht Köln (Urteil vom 3. Juli 2024 – 17 Ca 543/24) hatte die außerordentliche Kündigung einer Mitarbeiterin der Stadt Köln aufgrund der Teilnahme am „Potsdamer Treffen“ für unwirksam erklärt. Die bloße Teilnahme sei kein „wichtiger Grund“. Denn die Arbeitnehmerin, die bereits seit über 20 Jahren für die Stadt arbeitete, habe nicht gegen die von der Stadt Köln behaupteten gesteigerten Loyalitätspflichten verstoßen. Das Gericht betonte, dass keine gesteigerte politische Treuepflicht gegenüber der Stadt als Arbeitgeberin bestand. Aus dem Arbeitsverhältnis erwachse nur eine einfache Treuepflicht, die wiederum nur ein solches Maß an politischer Loyalität erfordere, das zur ordnungsgemäßen Verrichtung ihrer Tätigkeit notwendig ist. Ein Pflichtverstoß könne erst dann bejaht werden, wenn das Verhalten der Arbeitnehmerin darauf abzielt, aktiv verfassungsfeindliche Ziele durchzusetzen. Im Übrigen sei die politische Betätigung der Klägerin ihre Privatsache. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Ob die Stadt Köln in Berufung geht, bleibt abzuwarten.