Das LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21. Juli 2020 – 8 Sa 430/19) hat bestätigt, dass die Ankündigung eines Arbeitnehmers, sich krankschreiben zu lassen, bei objektiv nicht bestehender Erkrankung einen Grund für eine außerordentliche Kündigung i. S. d. § 626 BGB darstellen kann.
Zwischen Arbeitgeber (AG) und Arbeitnehmer (AN) kam es im Laufe des Arbeitsverhältnisses zu Unstimmigkeiten, sodass der AG beschloss, den AN in einem Abstimmungsgespräch einen Aufhebungsvertrag anzubieten. Bei der telefonisch übermittelten Bitte des AG an den AN, in der Firma zu erscheinen, um an diesem Gespräch teilnehmen zu können, weigerte sich der AN im Betrieb zu erscheinen. Auf nochmalige Bitte des AG erwiderte er, dass er „ja noch krank werden könne“. Dies nahm der AG zum Anlass eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB auszusprechen. Der AN erhob daraufhin Klage gerichtet auf Zahlung von Arbeitsvergütung bzw. Annahmeverzugslohn. Das Gericht hatte in diesem Zuge über die Zulässigkeit der Kündigung zu entscheiden.
Das Gericht entschied zugunsten des AG. Es prüfte die außerordentliche Kündigung in zwei Stufen: 1. ob ein wichtiger Grund an sich vorliege und 2. ob ein solcher auch im vorliegenden Einzelfall gegeben sei, wovon auszugehen ist, wenn eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Abwägung beiderseitiger Interessen nicht zumutbar erscheint.
Den wichtigen Grund an sich sah das LAG Rheinland-Pfalz bereits in der Tatsache, dass der AN vorliegend versucht habe, seine Interessen einseitig mittels der Ankündigung des krankheitsbedingten Fernbleibens einseitig durchzusetzen. Darin sei eine Drohung des AN zu sehen, sich einen ich nicht zustehenden Vorteil auf Kosten des AG zu verschaffen. Diese Drohung verletzte letztlich die arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflichten die dem AN gegenüber seinem AG obliegen. Letztlich müsste der AG damit rechnen, dass der AN sich regelwidrig auf seine Kosten bereichere.
Auch im Einzelfall lag nach Ansicht des LAG Rheinland-Pfalz eine erhebliche Pflichtverletzung des AN vor, die das Vertrauensverhältnis derart nachhaltig schädigte, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen sei. Das Gericht sah den wichtigen Grund hier in der Art und Weise, wie der AN sich versuchte der Weisung zu entziehen. Denn er hätte dem AG nicht drohen dürfen. Einer – eigentlich notwendigen – Abmahnung bedurfte es nicht, weil der AN offensichtlich nicht gewillt sei sich vertragsgerecht zu verhalten.
Auch vor dem Urteil urteilten Arbeitsgerichte, dass bei objektiv nicht vorhandener Krankheit, die Androhung des krankheitsbedingten Fernbleibens einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen kann. Jedoch zeigt die bisherige Rechtsprechung auch, dass es auf die Besonderheiten des Einzelfalls ankommt. So hat das LAG Köln in einem Urteil (LAG Köln, Urteil vom 29. Januar 2014 – 5 Sa 63113) eine außerordentliche Kündigung in einem vergleichbaren Fall als unzulässig erachtet. Auch in diesem Fall wurde das krankheitsbedingte Fernbleiben als Druckmittel gegen den AG eingesetzt, für den Fall, dass dieser einem Begehren des AN nicht nachkommt. Der wesentliche Unterschied lag jedoch darin, dass der AN im Fall des LAG Köln bereits an einer Grunderkrankung litt und für den Fall, dass der AG seinem Wunsch nicht nachkommen würde, befürchtete, dass sich diese Erkrankung verschlimmern werde. Demnach konnte das Gericht den fehlenden Arbeitswillen nicht zweifelsfrei feststellen, weshalb es eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung als unzulässig ansah.