Unternehmen, die Betriebe oder Betriebsteile von einem anderen Unternehmen übernehmen, müssen aufgrund von § 613a BGB regelmäßig eine Vielzahl von Regelungen weiter anwenden und zugesagte Vorteile gewähren. Eine neue Rechtsprechung erleichtert nun die Kündigung übernommener betriebsverfassungsrechtlicher Regelungen mit individualrechtlicher Fortgeltung (LAG Hamm, Entscheidung vom 30. Mai 2018 - 6 Sa 55/18).
Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen bei Betriebsübergang
Geht ein Betriebsteil per Betriebsübergang auf einen neuen Erwerber über, ohne seine organisatorische Einheit zu wahren, so wirken die Regelungen aus zuvor geltenden Betriebsvereinbarungen zu Gunsten der Arbeitnehmer wie Individualvereinbarungen fort (§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB). Rechtlich ist bislang umstritten, ob in einem solchen Fall eine Kündigung der im Ursprung betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen gegenüber dem neuen Betriebsrat oder nur per Änderungskündigung gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern möglich ist.
Keine einzelnen Kündigungen gegenüber den Arbeitnehmern erforderlich
Das LAG Hamm spricht sich für eine Kündbarkeit gegenüber dem neuen Betriebsrat aus, da die nunmehr individualrechtlich als Inhalt des Arbeitsverhältnisses geltenden kollektivrechtlichen Regelungen inhaltlich nicht weiter geschützt sein könnten, als sie bei kollektivrechtlicher Weitergeltung beim Erwerber wären. Die Transformation der kollektivrechtlichen Regelungen als „Inhalt des Arbeitsverhältnisses“ führe nicht dazu, dass die transformierten Regelungen nunmehr individualvertraglichen Vereinbarungen gleichrangig sind.
Neuer Betriebsrat zuständig
Bei nicht identitätswahrendem Übergang eines Betriebsteils erhält der Betriebsrat des Veräußerers ein Übergangsmandat für die Dauer von sechs Monaten nach dem Betriebsübergang (§ 21a BetrVG). In diesem Zeitraum sind Neuwahlen einzuleiten, sofern nicht schon ein Betriebsrat beim Erwerber besteht. Die Kündigung der im Ursprung betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen erfolgt gegenüber dem Betriebsrat beim Erwerber, da dieser nach dem betriebsverfassungsrechtlichen Kontinuitätsgedanken auch für die übergegangenen Regelungen zuständig wird.
Ergebnis: Kein Anspruch aus gekündigter alter Betriebsvereinbarung
Im vom LAG entschiedenen Fall führte gegenüber dem neuen Betriebsrat ausgesprochene Kündigung einer Betriebsvereinbarung dazu, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch mehr aus ebendieser geltend machen konnte. Dass er die darin geregelten Anspruchsvoraussetzungen erfüllte, war unerheblich, da die Betriebsvereinbarung bei seiner Antragstellung bereits vom Erwerber gekündigt und die Kündigungsfrist abgelaufen war.