Es entspricht mittlerweile der Realität im Erwerbsleben, dass hochrangige Mitarbeiter nicht nur wegen ihrer Fähigkeiten, sondern (auch) aufgrund ihres bisherigen Insider-Wissens bzgl. Kontaktdaten, Preisen, Machbarkeit gewisser Projekte etc. aus dem vorherigen Arbeitsverhältnis abgeworben und übernommen werden. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Schutz von Geschäftsgeheimnissen an zunehmender Bedeutung. Ging es in den einschlägigen Gerichtsentscheidungen zuletzt oft um die Frage, ob überhaupt eine wirksame Geheimhaltungsmaßnahme vorlag („Catch-all-Klauseln“ genügen nicht), geht es in dem hier besprochenen Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm (Westfalen) vom 23. Juni 2021 (10 SaGa 9/21) um die Voraussetzungen und Folgen des Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs nach § 6 Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG).
Sachverhalt
Die Verfügungsklägerin ist Lieferantin von Verarbeitungsanlagen. Der Verfügungsbeklagte war bei dieser als Vertriebsleiter tätig.
Nachdem der Verfügungsbeklagte seinen Anstellungsvertrag gekündigt hatte, übermittelte er sich noch während seiner Anstellung bei der Verfügungsklägerin (für die Dauer der Kündigungsfrist war keine Freistellung erfolgt) per E-Mail drei Dateien mit Geschäftsgeheimnissen in Form von Marktanalysen und Kundendaten von seinem dienstlichen an seinen privaten E-Mail-Account. Zudem kündigte er an, dass er künftig für einen unmittelbaren Wettbewerber tätig werde.
Nachdem die Verfügungsklägerin von der Weiterleitung der Dateien erfahren und den Verfügungsbeklagten freigestellt hatte, begehrte sie im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung der Erlangung, Nutzung und/oder Offenlegung der Dateien.
Der Verfügungsbeklagte hatte zwischenzeitlich die Löschung sämtlicher Dateien wie auch die Nichtweitergabe der Dateien an Dritte gegenüber der Verfügungsklägerin an Eides statt versichert, jedoch keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.
Problemaufriss
Gemäß § 6 Satz 1 GeschGehG kann der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses (also der Arbeitgeber) den Rechtsverletzer (also den Arbeitnehmer) auf Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr auch auf Unterlassung in Anspruch nehmen. § 6 Satz 2 GeschGehG stellt klar, dass der Anspruch auf Unterlassung auch dann besteht, wenn eine Rechtsverletzung erstmals droht.
Während das Vorliegen von Geschäftsgeheimnissen unproblematisch war (der Arbeitsvertrag sah entsprechende Geheimhaltungsklauseln vor), stellte sich vor allem die Frage nach der Wiederholungsgefahr.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts
Das Landesarbeitsgericht hat die für die Annahme des Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr als gegeben angesehen und zugunsten der Verfügungsklägerin entschieden.
Das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr werde indiziert, also widerleglich vermutet, wenn der in Anspruch Genommene schon in der Vergangenheit das streitgegenständliche Geschäftsgeheimnis – ganz oder teilweise – beeinträchtigt hat. Dies sei hier der Fall, da der Verfügungsbeklagte die Geschäftsgeheimnisse unbefugt im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 GeschGehG erlangt habe, indem er sie kopierte. Das Weiterleiten einer E-Mail an einen externen E-Mail-Account sei insofern als Kopiervorgang zu verstehen.
Dem Verfügungsbeklagten sei es nicht gelungen, diese indizierte Wiederholungsgefahr bezogen auf die Nutzung und/oder Offenlegung auszuräumen. Dies hätte nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung erfolgen können.
Die Angabe in der eidesstattlichen Versicherung, alle Dateien gelöscht und nicht zuvor weitergegeben zu haben, genüge nicht. Dies begründet das Gericht damit, dass die behauptete Löschung nicht besage, dass sich die Inhalte der Geschäftsgeheimnisse nicht noch in Text- oder Bildform im Besitz des Verfügungsbeklagten befänden und zukünftig von ihm verwendet werden könnten. Die gesamten Umstände des Falles, die Eigenkündigung und der schnelle Kontakt zu einem unmittelbaren Konkurrenten würden dafür sprechen, dass der Verfügungsbeklagte noch kurzfristig Informationen mitnahm, um diese „als Starthilfe“ in einem neuen Arbeitsverhältnis zu nutzen.
Die Erklärungen des Verfügungsbeklagten, er habe auch von zu Hause arbeiten und sich im Hinblick auf eine nicht auszuschließende Quarantäne während der Corona-Pandemie wappnen wollen, seien insofern als bloße Schutzbehauptungen zu werten.