Am 24. April 2024 hat das europäische Parlament die „Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit“ verabschiedet. Die Richtlinie zielt darauf ab, den Schutz und die Rechte von Plattformarbeitenden zu stärken und mehr Transparenz seitens der Plattformbetreibenden zu gewährleisten. Unternehmen müssen sich auf umfassende Änderungen einstellen, um den neuen gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Diese Entwicklungen sind besonders relevant für Plattformen, die auf selbstständige Arbeitskräfte setzen, wie etwa Kurierdienste oder Übersetzungsplattformen. Die Umsetzungsfrist der Richtlinie, die eine Implementierung in nationales Recht innerhalb von zwei Jahren vorsieht, ist am 1. Dezember 2024 gestartet. Die zukünftigen nationalen Vorschriften werden dabei einen maßgeblichen Einfluss auf Plattformbetreiber wie Uber Eats, Lieferando und Co. haben.
Unklare Beschäftigungsverhältnisse
Viele Plattformarbeitende wie Kurierdienstfahrer:innen und Übersetzer:innen sind formal selbstständig, was ihnen Flexibilität bietet, aber auch den Mindestlohn und andere Rechte der Arbeitnehmenden, wie den Kündigungsschutz, ausschließt. Es gibt viele Fälle von Scheinselbstständigkeit, bei denen Arbeitnehmende als selbstständig gelten, obwohl sie in einem abhängigen Verhältnis zum Arbeitgebenden stehen.
Viele Arbeitnehmenden verbleiben in dieser Situation, für sie ist ein verwaltungs- oder gar gerichtliches Verfahren oft auf Grund der finanziellen Hürden nicht möglich. Die EU-Richtlinie zielt daher darauf ab, diesen Missstand zu beheben, indem sie die Beweislast zugunsten der Arbeitenden umkehrt: Unternehmen müssen künftig beweisen, dass sie die für sie tätigen, richtigerweise als Selbstständige behandeln. Dies wird erhebliche rechtliche und finanzielle Auswirkungen für Plattformbetreibende haben, da die Beweislastumkehr Unternehmen dazu zwingt, ihre Beschäftigungspraktiken transparenter und rechtssicher zu gestalten, da erst einmal von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen wird.
Kriterien für die Umsetzung
Die EU-Mitgliedstaaten haben die Freiheit, eigene Kriterien für die Umsetzung der Richtlinie festzulegen. Die finale Ausgestaltung der Richtlinie enthält, entgegen dem ursprünglichen Vorschlag, keinen enumerativen Kriterienkatalog für das Vorliegen einer Fiktion eines Arbeitsverhältnisses. Eine solche wird nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 dann angenommen, wenn „Tatsachen, die auf die Kontrolle und Steuerung [des Plattformarbeitenden durch die Plattform] hindeuten, festgestellt werden“. Der Entfall des verbindlichen Kriterienkatalogs könnte zu unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Ländern und Unsicherheiten für die Arbeitenden führen. Die unbestimmten Rechtsbegriffe („Kontrolle und Steuerung“) bieten einen großen Auslegungs- und Argumentationsspielraum. Eine starke und klare Umsetzung ist daher entscheidend, um die gewünschten Verbesserungen zu erreichen. Gewerkschaften und Interessenvertretungen fordern daher eine präzise und verbindliche Umsetzung in deutsches Recht, um die Rechte der Plattformarbeitenden effektiv zu schützen. Die Gefahr besteht, dass zu vage definierte Kriterien die Wirksamkeit der Richtlinie untergraben und Plattformarbeitende weiterhin in prekären Verhältnissen arbeiten müssen.
Problematisch ist außerdem, dass die Reichweite der Fiktion des Beschäftigungsverhältnisses sich zwar auf Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, nicht aber auf das Steuerrecht erstreckt. Im ursprünglichen Entwurf war die Ausdehnung auf das Steuerrecht noch vorgesehen, was wünschenswert gewesen wäre, um eine unterschiedliche Qualifikation eines einheitlichen Sachverhalts in sozial- und steuerrechtlicher Hinsicht zu vermeiden.
Schutz vor algorithmischem Management (KI)
Die Richtlinie soll außerdem einen Schutz vor algorithmischem Management bieten. Oft wird KI eingesetzt, die Arbeitenden Arbeitsanweisungen geben. Unternehmen müssen künftig transparent machen, wie Algorithmen in diesen Softwares funktionieren und Daten erfassen. Eine transparente Gestaltung – und etwaige Einbindung des Betriebsrates – ist essenziell, um die Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen zu gewährleisten.