Die im Oktober 2019 vom Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union (EU) erlassene Hinweisgeberschutzrichtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten, nationale Regelungen zum Schutz von Personen zu schaffen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Missstände im Unternehmen melden (sog. „Whistleblower“). Die Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2021 verstrich mangels politischen Interesses zunächst fruchtlos. Wohl auch aufgrund der umfangreichen Berichterstattung rundum die Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen nahm die Ampel-Koalition das Thema wieder in Angriff. Mit dem jetzigen Referentenentwurf soll eine Umsetzung in nationales Recht erfolgen. Es wird angenommen, dass das Gesetz im Juni 2022 in Kraft treten könnte.
Geschützt werden in persönlicher Hinsicht alle Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben. Dies sind neben Arbeitnehmern insbesondere auch Selbstständige, arbeitnehmerähnliche Personen und Auszubildende. Der sachliche Anwendungsbereich umfasst in erster Linie Gesetzesverstöße, die strafrechtlich bewehrt sind. Bußgeldbewehrte Verstöße sollen umfasst sein, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit dient.
Hinweisgeber sollen sich bei möglichen Verstößen nach ihrer freien Wahl sowohl an interne als auch an externe Meldestellen wenden können.
Bezüglich der internen Meldestellen sieht der Entwurf unter anderem vor:
Eine zentrale (bundesweit zuständige) externe Meldestelle ist beim Bundesamt für Justiz vorgesehen. Daneben soll es weitere, spezialisierte Meldestellen – z.B. beim Bundeskartellamt für die Meldung von Verstößen gegen Vorschriften der EU über Wettbewerb – geben. Die externen Meldestellen sollen neben der Aufnahme von Meldungen auch eine beratende Funktion für Personen, die eine Meldung erwägen, einnehmen. Anonyme Hinweise sollen zum Schutz vor Überlastung nicht bearbeitet werden. Ein hinreichender Schutz der Whistleblower soll dadurch gewährleistet werden, dass deren Identität allein dem für die Bearbeitung zuständigen Sachbearbeiter bekannt sein soll. Nur in Ausnahmefällen darf die Identität etwa an Strafverfolgungsbehörden oder aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung weitergegeben werden.
Arbeitgeber sollen Meldekanäle einrichten müssen, über welche sich die Beschäftigten an die interne Meldestelle wenden können. Für die Meldekanäle gilt insbesondere:
In arbeitsrechtlicher Hinsicht sieht der Entwurf unter anderem ein Verbot von Repressalien zulasten von Hinweisgebern vor. Whistleblower sollen vor Nachteilen wie Kündigung, Abmahnung, Versagung einer Beförderung, Diskriminierung und Mobbing geschützt werden. Dieser Schutz soll insbesondere durch einen Schadensersatzanspruch des Whistleblowers gegen den Arbeitgeber sowie durch eine sog. Beweislastumkehr erreicht werden: Macht ein Hinweisgeber gegen den Arbeitgeber Ansprüche geltend, welche ihm aufgrund eines von ihm gegebenen Hinweises verwehrt wurden, soll der Arbeitgeber beweisen müssen, dass die durch den Hinweisgeber behaupteten Repressalien tatsächlich nicht bzw. nicht aufgrund der Meldung stattgefunden haben.Im Gegenzug ist zum Schutz der Arbeitgeber ein Schadensersatzanspruch gegen den Hinweisgeber für den Fall einer vorsätzlich oder grob fahrlässigen Falschmeldung vorgesehen.
Arbeitgeber sollten beachten, dass Verstöße gegen das Gesetz, etwa die fehlende Einrichtung einer Meldestelle, als Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße von bis zu EUR 100.000 geahndet werden können.
Ob das Gesetz wirklich 1:1 dem aktuell vorgelegten Entwurf entsprechend umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. In jedem Fall ist damit zu rechnen, dass zeitnah eine Umsetzung der sog. „Whistleblower-Richtlinie“ im deutschen Recht erfolgen wird. Arbeitgeber werden daher nicht mehr allzu lange Zeit haben, Meldestellen für Hinweisgeber einzurichten.