Die Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats ist für Arbeitgeber eine fast unüberwindbare Hürde: Die ordentliche fristgemäße Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist durch § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ausgeschlossen. Allenfalls eine außerordentliche fristlose Kündigung kann nach § 103 Abs. 1 BetrVG zulässig sein. Deren Wirksamkeit bejahte das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern kürzlich bei sexueller Belästigung einer Arbeitskollegin (Beschluss v. 5. März 2020 – 5 TaBV 9/19).
Pornografische Videos per Whatsapp
Die Arbeitgeberin begehrte die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden. Er war bereits seit über zwanzig Jahren bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Auch die betroffene Arbeitskollegin arbeitete bereits langjährig für die Arbeitgeberin und gehörte ebenfalls dem Betriebsrat an.
Nachdem der Betriebsratsvorsitzende seiner Kollegin zunächst nur lustige Clips und Bilder per Whatsapp schickte, enthielten seine Nachrichten zunehmend auch zweideutige Bilder. Eines Abends übersandte der Vorsitzende der Kollegin unter anderem vier pornografische Videos per Whatsapp. Die Kollegin forderte ihn daraufhin auf, ihr keine solchen Videos mehr zu senden. Sie kontaktierte die Mitarbeiterberatungshotline des Konzerns sowie die Personalabteilung und begab sich schließlich wegen des Vorfalls in psychologische Behandlung.
Die Arbeitgeberin entschloss sich daraufhin zur Kündigung und ersuchte den Betriebsrat um entsprechende Zustimmung nach § 103 Abs. 1 BetrVG. Diese verweigerte der Betriebsrat jedoch.
Kündigung von Betriebsratsmitgliedern
Die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern ist für den Arbeitgeber kaum möglich. In Betracht kommt allein eine außerordentliche Kündigung wegen eines wichtigen Grundes nach § 626 BGB, für die der Arbeitgeber jedoch zuvor die Zustimmung des Betriebsrats einholen muss (§ 103 Abs. 1 BetrVG). Verweigert der Betriebsrat – wie in diesem Fall – die Zustimmung zur Kündigung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht die Zustimmungsersetzung beantragen (§ 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG).
Argumentation des Betriebsrats nicht bestätigt
Der Betriebsrat stellte sich während des Verfahrens auf den Standpunkt, die Belästigung sei dem Umfang und der Intensität nach als geringfügig einzustufen. Die Arbeitsgerichte folgten dieser Auffassung nicht. Insbesondere sei anzumerken, dass die betroffene Mitarbeiterin sich arbeitsunfähig melden, in psychologische Behandlung begeben und ihr Betriebsratsamt auf ärztliches Anraten hin niedergelegen musste. Die Wiedereingliederung in den Betrieb dauerte etwa ein Jahr.
Durch seinen weiteren Einwand, die Arbeitgeberin habe die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist nicht eingehalten, erklärt der Betriebsrat hier – de facto – die Arbeitgeberin hätte weniger Rücksicht auf das Wohl und die berechtigten Interessen der betroffenen Arbeitnehmerin nehmen und sie nicht so sehr vor Gesundheitsgefahren psychischer Art schützen sollen. Insbesondere aufgrund der Nähe der Zusammenarbeit zwischen Täter und Opfer sowie des Vorwurfs einer sexuellen Belästigung, der „vielfach die Gefahr einer Bloßstellung berge und für die sich offenbarende Person regelmäßig eine große Belastung darstelle“, sprach sich das Arbeitsgericht Stralsund bereits in erster Instanz, völlig zu Recht, gegen den Betriebsrat aus.
LAG entscheidet zu Gunsten des Arbeitgebers
Das LAG bejahte auch einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung. Es stellte einen Verstoß des Vorsitzenden gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das auch sexuelle Belästigung verbietet, fest. Durch die Übersendung der pornografischen Videos über den Messenger-Dienst Whatsapp hat der Arbeitnehmer seine Arbeitskollegin in schwerwiegender Weise sexuell belästigt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Kollegin die Videos manuell gestartet und angesehen hat. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung bedurfte es auch keiner Abmahnung. Auf eine pauschale Fristversäumnis als Begründung dürfe sich der Betriebsrat nicht zurückziehen.