Der Fall des Automobilherstellers Tesla, der aufgrund einer ungewöhnlich hohen Anzahl von Krankmeldungen unangekündigte Hausbesuche bei etwa 30 Mitarbeitern durchführte, wirft wichtige arbeitsrechtliche Fragen auf. Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Aspekte einer solchen Praktik und gibt Empfehlungen für Arbeitgeber im Umgang mit fragwürdigen Krankheitsfällen.
Nachdem Tesla in den Sommermonaten eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Krankmeldungen verzeichnete, sah die Führungsetage Handlungsbedarf. Laut eigenen Angaben wurde sogar festgestellt, dass circa 200 Mitarbeiter Entgeltfortzahlung bezogen, ohne im Jahr 2024 einen einzigen Arbeitstag geleistet zu haben. Dies führte zu den umstrittenen Hausbesuchen bei ausgewählten Mitarbeitern.
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind das gesetzlich vorgesehene Beweismittel für den Nachweis einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit. Sie weisen einen hohen Beweiswert auf. Das bedeutet, dass eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zunächst ein klares Indiz für eine Arbeitsunfähigkeit darstellt.
Umgekehrt lässt sich aus einer solchen aber nicht ableiten, dass in jedem Fall eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Arbeitgeber haben weiterhin die Möglichkeit, den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern, wobei die Hürden hierfür hoch sind: Um ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeiters zu begründen, müssen Arbeitgeber konkrete Umstände darlegen und gegebenenfalls beweisen.
Diese Umstände können verschiedene Formen annehmen: Hierzu zählt beispielsweise, wenn die Arbeitsunfähigkeit auffällig häufig zu Beginn oder am Ende einer Arbeitswoche eintritt. Auch Verhaltensauffälligkeiten können Anlass zu Zweifeln geben, z.B. wenn eine Krankschreibung unmittelbar nach der Ablehnung eines Urlaubsantrags erfolgt oder wenn ein genesungswidriges Verhalten während der Arbeitsunfähigkeit bekannt wird.
Zu beachten ist aber, dass eine Arbeitsunfähigkeit nicht bedeutet, dass der Arbeitnehmer nichts mehr unternehmen darf. Der Arbeitnehmer darf beispielsweise weiterhin einkaufen gehen oder zum Tanken fahren. Er hat aber alles zu unterlassen, was den Genesungsprozess beeinträchtigen könnte. Ein Arbeitnehmer mit einer Beinverletzung darf zum Beispiel keinen Sport treiben, welcher die Beine belastet.
Gelingt es dem Arbeitgeber, den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern, ist der Arbeitnehmer in Zugzwang und muss seinerseits darlegen und ggf. beweisen, dass eine Arbeitsunfähigkeit tatsächlich besteht. Im Zweifel durch Entbindung des behandelnden Arztes von der Schweigepflicht.
Doch ist die Durchführung eines Hausbesuchs ein geeignetes Mittel, um den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern?
Rechtlich gesehen bewegen sich Hausbesuche des Arbeitgebers in einer Grauzone.
Die juristische Bewertung und mögliche Konsequenzen hängen maßgeblich von der konkreten Durchführung der Maßnahme ab. Folgende Aspekte sind dabei besonders relevant:
Entscheidet sich der Arbeitgeber für einen unangekündigten Hausbesuch bei seinem Arbeitnehmer, ist es wichtig zu betonen, dass der Arbeitnehmer rechtlich nicht verpflichtet ist, auf diese Maßnahme zu reagieren. Es besteht keinerlei gesetzliche Pflicht, dem Arbeitgeber die Tür zu öffnen oder ihm Zutritt zur Wohnung zu gewähren. Der Arbeitnehmer kann den Besuch ohne Konsequenzen verweigern, da das Recht auf Privatsphäre und die Unverletzlichkeit der Wohnung in diesem Fall Vorrang haben.
Die Diskussion um Hausbesuche durch Arbeitgeber gewann während der Corona-Pandemie aufgrund der verstärkten Nutzung von Homeoffice an Relevanz. Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, die Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften zu gewährleisten – auch im häuslichen Arbeitsumfeld. Um diese Verpflichtung zu erfüllen und gegebenenfalls notwendige Anpassungen vorzunehmen, müssen sie die Arbeitsbedingungen im Homeoffice beurteilen können. Die vorherrschende juristische Meinung geht jedoch davon aus, dass sich aus dieser Verpflichtung kein automatisches Zutrittsrecht für den Arbeitgeber zur Privatwohnung des Arbeitnehmers ableiten lässt. Stattdessen wird die Ansicht vertreten, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Mitwirkungspflichten gemäß §§ 15, 16 ArbSchG zunächst alternative Informationen bereitstellen muss (z.B. durch Beantwortung von Fragebögen; Bereitstellung von Foto- und Videoaufnahmen des Arbeitsplatzes). Ein Zutrittsrecht des Arbeitgebers zur Privatwohnung des Arbeitnehmers lässt sich somit kaum rechtfertigen, sofern keine explizite vertragliche Vereinbarung hierzu besteht.
Der gesetzlich vorgesehene Weg besteht darin, den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) in Frage zu stellen. Hierfür muss der Arbeitgeber konkrete Umstände darlegen, die Zweifel an der Erkrankung begründen.
Nach erfolgreicher Darlegung geht die Beweislast auf den Arbeitnehmer über, der nun seine Arbeitsunfähigkeit begründet nachweisen muss.