Das OLG Frankfurt bestätigte jüngst, dass es unzulässig ist, Arbeitnehmer zum Zwecke der Abwerbung – über eine erste Kontaktaufnahme hinaus – an ihrem Arbeitsplatz anzurufen. Dieses Verbot gilt auch für Anrufe unter einer Mobilfunknummer, soweit der Anrufer sich zu Beginn des Gesprächs nicht vergewissert hat, dass der Arbeitnehmer sich nicht am Arbeitsplatz oder sonst bei der Arbeit befindet (OLG Frankfurt, 08.08.2019 – 6 W 70/19).
Ausgangssituation: Telefonischer Abwerbeversuch
Nach vorangegangener E-Mail-Korrespondenz kontaktierte der Recruiter die potentielle Kandidatin (Frau X) telefonisch unter ihrer privaten Mobilfunknummer. Zweck des Anrufs war, Frau X zu einem Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber zu bewegen. Frau X bestätigte im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung, dass sie sich zum Zeitpunkt des Anrufs bei der Arbeit befand und dass der Anruf ca. 12 Minuten dauerte.
Unzulässiger Abwerbeversuch
Das OLG Frankfurt beurteilte diesen Anruf des Recruiters als unlauter und damit wettbewerbswidrige Behinderung des tatsächlichen Arbeitgebers von Frau X und gab dem mit einem Eilantrag gestellten Unterlassungsantrag statt.
Erstkontakt – wie lange darf man telefonieren?
Nach Ansicht des OLG Frankfurt kann es dahinstehen, ob der Anruf des Recruiters im Hinblick auf die vorherige E-Mail-Korrespondenz noch als Erstkontakt angesehen werden kann, da jedenfalls das 12-minütige Gespräch die zulässige Dauer eines solchen Erstkontakts überschritt.
Unter einem Erstkontakt versteht der BGH einen solchen, der einer ersten kurzen Kontaktaufnahme dient, bei welchem sich der Anrufer bekannt macht, den Zweck des Anrufs mitteilt und erfragt, ob der angerufene potentielle Kandidat an einer weiteren Kontaktaufnahme Interesse hat. Bei Bekundung von Interesse kann die in Rede stehende Stelle kurz umschrieben werden. Falls das Interesse des Kandidaten fortbesteht, muss eine Kontaktmöglichkeit außerhalb der Arbeitszeit vereinbart werden. Bereits eine wenige Minuten überschreitende Gesprächsdauer kann ein Indiz dafür sein, dass es sich nicht um einen reinen Erstkontakt handelt.
Ansprache am Arbeitsplatz – Kontakt über privaten Mobilfunkanschluss
In Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des BGH hielt das OLG Frankfurt fest, dass die über eine erste kurzfristige Kontaktaufnahme hinausgehende Ansprache eines Arbeitnehmers an seinem Arbeitsplatz zum Zwecke der Abwerbung eine unlautere Behinderung des Arbeitgebers darstellt. Dies gilt grundsätzlich auch dann – so das OLG – wenn die Kontaktaufnahme zwar über den privaten Mobilfunkanschluss, aber am Arbeitsplatz des Arbeitnehmers erfolgt, weil auch in diesem Fall in den Betriebsablauf des Arbeitgebers in unverhältnismäßiger Weise eingegriffen wird.
Da allerdings bei einem Anruf unter einer Mobilfunknummer nicht sicher beurteilt werden kann, ob sich der angerufene Arbeitnehmer bei der Arbeit befindet oder nicht, ist auch ein Anruf, der über den dargestellten Erstkontakt hinausgeht, nur zulässig, wenn der Anrufer sich zu Beginn des Gesprächs vergewissert, ob sich der Gesprächspartner nicht an seinem Arbeitsplatz befindet.
Befindet sich der Gesprächspartner, d.h. der potentielle Kandidat bei der Arbeit, muss das Gespräch sofort beendet werden.
Rechtsfolgen bei Verstoß
Bei einer unzulässigen Abwerbung von Mitarbeitern stehen dem Verletzten sowohl Unterlassungs- als auch Schadensersatzansprüche zu. Der Verletzte hat sogar die Möglichkeit ein befristetes Beschäftigungsverbot aussprechen zu lassen.