Umsetzung der sog. einrichtungsbezogenen Impfpflicht


Ab dem 16. März 2022 greift in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen eine – schon im Dezember letzten Jahres beschlossene – Immunitätsnachweispflicht, in der Tagespresse oft missverständlich „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ genannt, für medizinisches und pflegerisches Personal. Im Folgenden werden Inhalt und arbeitsrechtliche Folgen der gesetzlichen Neuregelung dargestellt.

Gesetzliche Regelung

Gemäß dem neu geschaffenen § 20a IfSG müssen Personen, die in Einrichtungen mit besonders vulnerablen Gruppen (z.B. Kliniken, Pflegeheime, Arztpraxen und Rettungsdienste) tätig sind, bis zum 15. März 2022 der jeweiligen Einrichtungs- oder Unternehmensleitung einen Impf- oder Genesenennachweis („2G-Nachweis“) oder ein ärztliches Attest, dass sie nicht geimpft werden können, vorlegen. Verliert der Nachweis seine Gültigkeit (was insb. den Genesenennachweis betrifft), muss binnen eines Monats ein neuer Nachweis vorgelegt werden.

Erfasst sind Personen, die in den entsprechenden Einrichtungen regelmäßig und nicht nur zeitlich vorübergehend tätig werden. Damit wird vor allem das medizinische und nichtmedizinische (Hausmeister, Reinigungskräfte, Fahrdienste etc.) Personal erfasst, das direkten Kontakt zu den behandelten, untergebrachten oder gepflegten Personen hat. Mitarbeiter, die in klarer räumlicher Abgrenzung zu den schutzbedürftigen Personen tätig werden (z.B. Verwaltung und IT), wird man aus verfassungsrechtlichen Gründen von der Nachweispflicht ausnehmen müssen. Durch den Begriff „Tätigwerden“ sind über die Beschäftigten hinaus auch externe Personen erfasst, etwa rechtliche Betreuer, Mitarbeiter der Heimaufsicht und des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen oder auch Friseure, die zum Haareschneiden in die Einrichtungen kommen.

Arbeitgeber sind verpflichtet, das zuständige Gesundheitsamt zu informieren, wenn der „2G-Nachweis“ nicht fristgerecht vorgelegt wird oder Zweifel an der Echtheit oder Richtigkeit bestehen. Das Gesundheitsamt kann die betroffene Person sodann gemäß § 20a Abs. 5 IfSG zur Vorlage des „2G-Nachweises“ auffordern, eine ärztliche Untersuchung dazu anordnen, ob die betroffene Person auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus geimpft werden kann und ihr – wenn die Person keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt oder der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nicht Folge leistet – untersagen, die Einrichtung zu betreten oder dort tätig zu werden. Zwingend ist eine solche Anordnung allerdings nicht, den Behörden steht dabei in Ermessensspielraum zur Verfügung („kann“). Insofern ist es denkbar, dass Behörden zunächst von Betretungs- oder Tätigkeitsverboten absehen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn in einer Einrichtung eine Vielzahl der Pflegekräfte keinen „2G-Nachweis“ vorlegen kann und bei entsprechenden Anordnungen Versorgungsengpässe drohen würden.

Für Personen, die ab dem 16. März 2022 eine Tätigkeit neu aufnehmen, enthält § 20a Abs. 3 IfSG Sonderregelungen. Hier gilt die Nachweispflicht vor Tätigkeitsbeginn. Bestehen Zweifel an der Echtheit oder Richtigkeit des Nachweises, hat der Arbeitgeber das Gesundheitsamt zu informieren. Unabhängig von einer behördlichen Anordnung darf die Person nicht in den genannten Einrichtungen beschäftigt oder tätig werden, bis ein gültiger „2G-Nachweis“ vorliegt.

Es ist also zu unterscheiden: Bei der „Bestandsbelegschaft“ gilt das Beschäftigungsverbot erst, wenn eine entsprechende behördliche Anordnung vorliegt. Bei Neueinstellungen ab dem 16. März 2022 besteht von Anfang an ein gesetzliches Beschäftigungsverbot, wenn kein entsprechender Nachweis erbracht wird.

Zusätzlich zu den dargestellten Regelungen sind Ordnungswidrigkeitstatbestände geschaffen worden, die bei Verstößen – insbesondere gegen behördliche Anordnungen sowie das Beschäftigungs- und Tätigkeitsverbot – Geldbußen von bis zu 2.500 Euro sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer vorsehen.

Arbeitsrechtliche Folgen

Können Arbeitnehmer, für die ein Beschäftigungsverbot gilt, nicht anderweitig (also z.B. außerhalb der Einrichtung oder im Homeoffice) eingesetzt werden, soll ausweislich der Gesetzesbegründung die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers entfallen. Dies entspricht dem Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“. Allerdings bleibt der Arbeitgeber nach § 615 Satz 3 BGB auch ohne Arbeitsleistung zur Lohnzahlung verpflichtet, wenn er das Risiko des Arbeitsausfalls bzw. der Nichtannahmemöglichkeit der Arbeitsleistung trägt. D.h. er will zwar die Arbeitsleistung annehmen, kann dies aber aus betriebstechnischen Gründen nicht. Dazu zählen auch Fälle, in denen öffentlich-rechtliche Vorschriften und behördliche Anordnungen zu einem Arbeitsausfall führen. Der sog. Lockdown ist zwar vom Bundesarbeitsgericht nicht als dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers unterfallend angesehen worden, da es nicht zu einer Verwirklichung des in einem bestimmten Betrieb angelegten Risikos gekommen sei. Die Immunitätsnachweispflicht wurde jedoch nur für solche Einrichtungen eingeführt, in denen für die dort anzutreffenden, besonders vulnerablen Personen ein erhöhtes Krankheitsrisiko besteht. Insofern sprechen gute Argumente dafür, dass die Arbeitsgerichte einen konkreten Zusammenhang zwischen Betrieb und Risiko und in der Folge auch den fortbestehenden Vergütungsanspruch bejahen.

Eine verhaltensbedingte Kündigung dürfte schon im Ansatz ausscheiden. Dass sich Mitarbeiter nicht impfen lassen, kann ihnen nicht vorgeworfen werden, da es gerade keine Impfpflicht gibt. Und der Verstoß gegen die Nachweispflicht kann schon deshalb keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellen, weil damit unzulässigerweise eine mittelbare Impfpflicht über den „Umweg“ des Arbeitsrechts geschaffen werden würde. Vor dem Hintergrund des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) muss eine Impfpflicht vom Gesetzgeber selbst ausdrücklich angeordnet werden.

Aufgrund des gesetzlichen Verbots, Personen ohne „2G-Nachweis“ zu beschäftigen, ist aber eine Kündigung aus personenbedingten Gründen denkbar. Im Grundsatz ist anerkannt, dass eine Kündigung gerechtfertigt sein kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aus öffentlich-rechtlichen Gründen nicht beschäftigen darf. Allerdings ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass die Regelung des § 20a IfSG zeitlich befristet ist; mit Ablauf des 31. Dezember 2022 tritt sie wieder außer Kraft. Damit wird sich eine Kündigung bei langjährigen Mitarbeitern mit langen Kündigungsfristen als unverhältnismäßig erweisen. Bei Mitarbeitern mit kurzer Kündigungsfrist kann zwar aufgrund des erheblichen organisatorischen und finanziellen Aufwands – Einstellung einer Ersatzkraft, Weitervergütung des Mitarbeiters, obwohl dieser nicht arbeiten darf – das Interesse des Arbeitgebers überwiegen. Allerdings ist vollkommen offen, wo die „Grenze“ des dem Arbeitgeber Zumutbaren anzulegen ist.