Nach mehreren erfolglosen Anläufen kam es jetzt zu der finalen Verabschiedung des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG). Der vom Vermittlungsausschuss des Bundestages und Bundesrates unterbreitete Einigungsvorschlag wurde angenommen. Der deutsche Bundestag hat daraufhin am 11. Mai 2023 und der Bundesrat am 12. Mai 2023 der veränderten Fassung des HinSchG zugestimmt. Das neue Gesetz tritt einen Tag nach Verkündung, voraussichtlich Mitte Juni 2023 in Kraft.
Im Dezember 2022 wurde bereits der Regierungsentwurf des HinSchG vom Bundestag verabschiedet, der dann allerdings im Februar 2023 an der Zustimmung des Bunderats scheiterte.
Jetzt konnten sich die Vertreter von Bundestag und Bundesrat im Vermittlungsausschuss auf einen geänderten Gesetzesentwurf des HinSchG einigen, der von Bundestag und Bundesrat bereits beschlossen wurde.
Änderungen gegenüber ursprünglich beschlossener Fassung
Externe und interne Meldestellen sollen nicht mehr dazu verpflichtet sein, Meldekanäle so zu gestalten, dass auch anonyme Meldungen abgegeben werden können. Es wird nur vorgegeben, dass die Stellen auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten sollten.
Hinweisgebenende Personen sollen die Meldung bei einer internen Meldestelle vorziehen, wenn „intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann“ und keine Repressalien befürchtet werden.
Informationen über Verstöße fallen nur noch in den Anwendungsbereich des Gesetzes, wenn sie sich auf den Beschäftigungsgeber oder eine andere Stelle, mit der die hinweisgebende Person beruflich im Kontakt stand, beziehen.
Es gibt kein Schmerzensgeld mehr für immaterielle Schäden, die Whistleblower durch die Offenlegung gewisser Vorgänge erleiden.
Die Vermutung, dass die Benachteiligung eines Hinweisgebers eine Repressalie infolge der Meldung eines Verstoßes ist, gilt nur noch, wenn die hinweisgebende Person dies auch selbst geltend macht.
Der Bußgeldrahmen für Verstöße gegen die sich aus dem Gesetz ergebenden Pflichten wird von EUR 100.000,00 auf 50.000,- reduziert.
Der gesetzliche Hinweisgeberschutz zusammengefasst
Die Pflicht, entsprechende Hinweisgebersysteme zu schaffen und zu betreiben, gilt für Unternehmen und Organisationen ab 50 Beschäftigten. Für kleinere, private Beschäftigungsgeber zwischen 50 und 249 Beschäftigten wird allerdings eine Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2023 eingeräumt.
Hinweisgeber müssen die Möglichkeit erhalten, Hinweise mündlich, schriftlich oder auch persönlich abzugeben. Und auch anonymen Hinweisen soll nachgegangen werden, auch wenn hierzu keine Pflicht besteht.
Anschließend muss die intern eingerichtete Meldestelle innerhalb von 7 Tagen den Eingang des Hinweises bestätigen und nach 3 Monaten den Hinweisgeber auch über die ergriffenen Maßnahmen informieren.
Zudem werden vom Bundesamt für Justiz und ggf. auch von den Bundesländern externe Meldestellen eingerichtete, an die sich der Hinweisgeber trotz des in das Gesetz aufgenommenen Vorzugs der internen Meldestelle ebenfalls wenden kann.
Erleidet eine hinweisgebende Person eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit und macht sie geltend, diese Benachteiligung infolge einer Meldung erlitten zu haben, so wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine nach dem HinSchG unzulässige und sanktionierte Peressalie für diese Meldung oder Offenlegung ist.
Betriebliche Mitbestimmung bei der Einführung des Hinweisgebersystems
Bei der Implementierung von Hinweisgebersystemen und der Errichtung von internen Meldestellen in Betrieben mit Betriebsrat greift die betriebliche Mitbestimmung. Entsprechend sind zu den mitbestimmten Inhalten zeitnah entsprechende Betriebsvereinbarungen zu verhandeln und abzuschließen. auch die betrieblichen Mitbestimmungsrechte zu beachten.
Ausblick
Das neue HinSchG wird voraussichtlich Mitte Juni 2023 verkündet und tritt anschließend am Folgetag in Kraft. Unternehmen ab einer Betriebsgröße von 250 Beschäftigten bleibt somit für eine Umsetzung kaum noch Zeit. Auch kleiner Unternehmen müssen die Umsetzung mit Blick auf den 17. Dezember 2023 zeitnah angehen, insbesondere wenn die betriebliche Mitbestimmung eingreift und der Betriebsrat zu beteiligen ist.
Praxishinweis
• Unternehmen sollten sich möglichst schnell bewusstwerden, welche Anforderungen das HinSchG an sie stellt.
• Mit Hinblick auf mögliche Haftungsrisiken sollte ein sofortiger Aufbau interner Meldestellen, eingebettet in ein entsprechendes Compliance-Management-System (CMS) erfolgen.
• In Betrieben mit Betriebsräten sind vor der Einführung von internen Meldestellen Betriebsvereinbarungen abzuschließen und entsprechend ist Zeit für Verhandlungen mit dem Betriebsrat
einzuplanen.
• Unternehmen müssen Personalentscheidungen und die dahinter stehenden Erwägungen, die Hinweisgeber betreffen, entsprechend dokumentieren. Beruft sich der Hinweisgeber auf eine vermeintliche Benachteiligung aufgrund eines zuvor erteilten Hinweises, muss das Unternehmen beweisen können, dass es sich bei der Entscheidung nicht um eine unzulässige Sanktion gegen den Hinweisgeber handelt. Dies wird z.B. bei Beförderungsentscheidungen oder der Entfristung von Arbeitsverträgen eine Rolle spielen.