Zu hoch oder zu niedrig – aber niemals rechtmäßig? Weiterhin Unklarheit bei der Betriebsratsvergütung durch neue arbeitsgerichtliche Entscheidungen


Während eine zu hohe Vergütung von Betriebsräten einerseits den Straftatbestand der Untreue nach § 266 StGB und andererseits eine Betriebsratsbegünstigung nach § 119 Abs.1 Nr.3 BetrVG darstellen kann, kommt bei zu niedriger Vergütung eine ebenfalls nach § 119 Abs.1 Nr. 3 BetrVG strafbare Betriebsratsbenachteiligung in Betracht. Dieses Strafbarkeitsrisiko führt im Ergebnis zu einer starken Unsicherheit bei den Verantwortlichen im Unternehmen. Es muss zwingend das richtige Vergütungsmaß gefunden werden, um das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung zu vermeiden.

Der Untreuevorwurf hat in der Vergangenheit immer wieder die Strafgerichte beschäftigt. Das Thema ist Anfang des Jahres durch ein medienwirksames Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 10. Januar 2023 – 6 StR 133/22) wieder in den Fokus gerückt worden. In diesem Urteil wurde der Freispruch des Landgerichts für die angeklagten Mitglieder der Geschäftsführung des VW-Konzerns vom Vorwurf der Untreue aufgehoben.

Hinzu kommen nun jüngere Entscheidungen aus der arbeitsgerichtlichen Praxis, die weitere Fragen aufwerfen. Das Arbeitsgericht Braunschweig gab mit Urteilen vom 05. Juli 2023 den Klagen von zwei Betriebsräten auf Ausgleich von Vergütungsdifferenzen (infolge des vorgenannten BGH-Urteils waren Gehaltskürzungen erfolgt) statt und verurteilte den Arbeitgeber zur Nachzahlung.

Sachverhalt

In den Verfahren vor dem Arbeitsgericht Braunschweig klagten die Betriebsräte gegen die Kürzung ihrer Vergütung durch den Arbeitgeber.

Im ersten Fall erhob ein Betriebsrat, der am Standort Wolfsburg seit 2002 freigestellt ist, eine Klage auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen iHv EUR 640,00 brutto monatlich sowie die Feststellung einer Vergütung gemäß Entgeltstufe 20 des Tarifvertrags. Bei Amtsantritt als Betriebsratsmitglied war eine Einstufung in die Entgeltstufe 13 erfolgt. Im zweiten Fall erhob ein Betriebsratsmitglied, das am Standort Salzgitter seit 2017 freigestellt ist, eine Klage auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen iHv EUR 280,00 Euro brutto monatlich. Bei Amtsantritt als Betriebsratsmitglied war eine Einstufung in die Entgeltstufe 13 erfolgt, diese wurde im Rahmen der Kürzung auf Stufe 12 herabgesetzt.

Der Arbeitgeber begründet die Herabstufung in beiden Fällen mit dem strafrechtlichen Risiko durch den vom BGH gesetzten strengen Rahmen bei der Betriebsratsvergütung. So habe sich der BGH nicht der arbeitsrechtlich anerkannten “hypothetischen Karriere” freigestellter Betriebsräte angeschlossen, sondern eine Vergütungsentwicklung nur dann als berücksichtigungsfähig anerkannt, wenn die überwiegende Zahl vergleichbarer Arbeitnehmer typischerweise bei normaler betrieblicher und personeller Entwicklung eine solche Entwicklung ebenfalls genommen hätte. Man habe sich daher gezwungen gesehen, eine Vergütung ausschließlich nach strenger Vergleichsgruppenbetrachtung vorzunehmen.

Entscheidung

Die Gehaltskürzungen erklärte das ArbG Braunschweig nun für unwirksam und verurteilte den Arbeitgeber zur Nachzahlung.

Im ersten Fall begründete das Gericht seine Entscheidung mit einer vom Arbeitgeber tatsächlich angebotenen Stelle und stellte damit gerade auf eine hypothetische Karrierestufe ab. Im zweiten Fall stellte das Gericht darauf ab, dass eine Eingruppierung in eine höhere Entgeltstufe schon lange vor der Übernahme des Betriebsratsamtes stattgefunden habe.

Damit tritt das Gericht der Befürchtung entgegen, dass mit dem vom BGH eng gesetzten Rahmen der „Vergleichsgruppenbetrachtung“ gleichzeitig ein Ausschluss der „hypothetischen Karriere“ als Vergütungsmaßstab für die Betriebsratsvergütung einhergeht.

Auch wenn die Entscheidungsgründe noch nicht vorliegen, wird sichtbar, dass eine hohe Einstufung von Betriebsratsmitgliedern durchaus rechtmäßig sein kann. Das Arbeitsgericht Braunschweig bestätigt die nach dem Lohnausfallprinzip gängige Praxis, wonach sich die Vergütung danach richtet, was das Betriebsratsmitglied auch ohne die Betriebsratstätigkeit erhalten hätte. Dass die betriebsübliche Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer nach § 37 Abs.4 BetrVG ausschlaggebend sei, steht der Heranziehung der „hypothetischen Karriere“ scheinbar nicht entgegen.